16460 Seminar

SoSe 17: Anthropologie der Fiktion

Georg Witte

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Fiktion wird in diesem Seminar als anthropologisch fundierter Modus ästhetischer Erfahrung reflektiert. Dabei soll zugleich der Historizität ästhetischer Wertzuschreibungen des Fiktionalen (z. B. Fiktionsskepsis der Avantgarden, „Faktographien“; „Wirklichkeitseffekte“ realistischer Fiktion; Metafiktionen im Moderne und Postmoderne) Aufmerksamkeit geschenkt werden. Des Weiteren sollen rezeptionspsychologische Bedingungen der besonderen Einstellung auf eine fiktionale Situation diskutiert werden (Immersionserfahrung, Illusion, fremdperspektivisches Verstehen/Empathie, Verstehen von Handlungslogiken). Im Zentrum aber steht die Frage nach dem anthropologisch-evolutionären Potential des fiktionalen Modus der Weltkonzeptualisierung und Weltorientierung. Warum lesen und schauen wir überhaupt Geschichten, von denen wir wissen, dass sie erfunden sind? Warum bildet dies eine Konstante kultureller Praktiken seit den archaischen Kulturen, ja seit den frühesten sozialen Kollektivbildungen überhaupt? Wie ist Fiktionsintelligenz in phylogenetischer und ontogenetischer Hinsicht zu beurteilen? Welche kognitiven und emotiven Potentiale werden durch sie eröffnet? Mit dieser Frage eng verbunden ist ein besonderes Interesse für die durch Fiktion eröffneten Möglichkeitshorizonte (Antizipationsfähigkeit, virtuelles Probehandeln, Verstehen alternativer Entwürfe biographischer und historischer Verläufe und das damit verbundene politische Potential, modales „Entkoppeln“ von Informationen und deren situationsbezogene und perspektivische Relativierung, Beobachtungs- und soziale Kontrollfunktionen des Erzählens sowie zugleich deren Subversion). In diesem weiten thematischen Feld hat sich ein neues Forschungsparadigma entwickelt, das von evolutionären Begründungsversuchen der Fiktion (Tooby/Cosmides, Zunshine, Flesch, Menninghaus u.a.) über Immersions- und Empathietheorien (Coplan, Miall/Kuiken, Breithaupt, Voss u.a.) bis zu avancierten Konzepten eines „Homo narrans“ (Koschorke u.a.) reicht. Das Seminar versucht, dieses Feld im Sinne der Eröffnung von Forschungsperspektiven zu erkunden. close

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