14002 Undergraduate Course

SoSe 18: Zwischen japanischem Geist, westlichem Wissen und universellen Ansprüchen: Wissenschaftsgeschichte des modernen Japan

Niels Hendrik Bader

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In diesem Seminar behandeln wir die Entstehung und Entwicklung der Wissenschaften in Japan ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wir untersuchen zunächst, warum und wie westliche Wissenschaft in Japan theoretisch und praktisch begründet wurde, ausgehend von Konzepten, Ideen und Zielen von Vordenkern und Wegbereitern wie Fukuzawa Yukichi, Nishi Amane und Mori Arinori. Ein Schwerpunkt liegt auf der Analyse von Prozessen des Wissenstransfers etwa in Form von „Übersetzungen“ westlicher Texte und Ideen, die zu Debatten über eine angemessene Sprache, einem neuen Wortschatz und ersten spezifisch japanischen Neuausrichtungen führten. Relevant für das Verständnis der Entstehung und Entwicklung der modernen Wissenschaft in Japan ist ebenfalls die Frage nach Einflüssen älterer, auf neo-konfuzianischen Wurzeln gründender Wissens- und Lehrsysteme, die noch bis in die ersten Jahrzehnte der Meiji-Zeit weiterexistierten, wie kangaku („Chinastudien“), kokugaku (japanzentrische „Landesstudien“) oder die bereits früh auf den Westen gerichteten rangaku („Hollandstudien“). Im Hauptteil des Seminars widmen wir uns der Geschichte einzelner geisteswissenschaftlicher Disziplinen, und zwar speziell solcher mit Gegenständen aus den Bereichen Kultur, Geschichte und Literatur, wobei natürlich auch Interessen von Teilnehmer*innen berücksichtigt werden können. Zentrale Untersuchungsthemen sind die historischen und geistigen Hintergründe ihrer Entstehung sowie wesentliche Merkmale ihrer weiteren Entwicklung im Hinblick auf Prämissen, Theorien, Methoden und Arbeitsweisen, Konzepte, Gegenstände und Ziele. Hinzu kommen weitreichendere Fragestellungen, etwa nach ihrer Rolle bei der Entwicklung moderner Sprache, Kultur und Literatur. Welche Verbindungen bestanden zur Entstehung einer nationalen Identität und anderen Aspekten des modernen Nationalstaats? Dies führt uns auch zu dunklen Kapiteln, beispielsweise inwiefern Disziplinen wie die toyo shigaku („Geschichtswissenschaft des Fernen Ostens“), die Sinologien oder die minzokugaku (Völkerkunde/Ethnologie) zu Kolonialismus, Imperialismus und Krieg beitrugen. Anknüpfend stellt sich die Frage, wie diese Phase des modernen Japan seit der Nachkriegszeit unter dem Einfluss von Demokratisierung, Neuordnung und Studentenprotesten kritisiert und aufgearbeitet wurde. Auch einige Themen der jüngeren Vergangenheit werden aufgegriffen, von der Entstehung der Gender Studies über die scheinbar zunehmende Internationalisierung bis hin zu für die Geisteswissenschaften bedrohlich wirkenden politischen Entwicklungen der letzten Jahre. Von besonderer Relevanz für uns als Japanologen sind natürlich gerade auch solche Fächer, die sich schwerpunktmäßig mit Japan selbst beschäftigen und sich dadurch relativ unabhängig von westlicher Forschung entwickeln konnten, wie beispielsweise die kokubungaku, die „Landesliteraturwissenschaft“, die bis in die jüngste Vergangenheit oft selbst Ähnlichkeiten zu ihrem Gegenstand, der japanischen Literatur, aufweist. Wir betrachten auch Versuche, originär japanische Wissenschaften mit eigenen wissenschaftstheoretischen und methodologischen Ansätze zu begründen, wie etwa im Fall der Kyoto-Schule der Philosophie. Schließlich untersuchen wir einige Darstellungen von Wissenschaft in der Literatur, von Natsume Sosekis Sanshiro bis hin zu Tsutsui Yasutakas Bungakubu Tadano kyoju. Die Teilnehmer*innen erhalten in diesem Seminar durch Vorträge, Diskussionen und Übungen einen Überblick über die japanische Wissenschaftsgeschichte sowie vertiefende Einblicke in wichtige Bereiche. Die Beschäftigung damit, wie Wissenschaft in bestimmten historischen, kulturellen und geistigen Kontexten verstanden und praktiziert wurde, ist eng verbunden mit fortwährend aktuell bleibenden wissenschaftstheoretisch und –philosophischen, aber auch forschungspraktischen Thematiken. So erlangen die Teilnehmer*innen Kompetenzen, nicht nur wissenschaftliche Quellen einzuordnen und zu bewerten, sondern auch ihre eigenen Standpunkte, Interessen und Möglichkeiten innerhalb der gegenwärtigen Wissenschaften besser erkennen zu können. Damit verbunden ist nicht zuletzt aber auch die Förderung von grundlegenden praktischen Kompetenzen für ihre eigenen Forschungsarbeiten. close

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