14003 Undergraduate Course

SoSe 19: (Nicht) Nur für Eingeweihte! Wissenschaftliche Zugänge zum geheimen Japan

Niels Hendrik Bader

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Ist irgendwo in den Medien von einem geheimen Japan die Rede, dient dies normalerweise nur dazu, Interesse an den folgenden Ausführungen von mehr oder weniger qualifizierten Japan-Experten zu wecken. Häufig wird dennoch eine besondere Neigung der Japaner zur Verschlossenheit betont, etwa vermittels Konzepten wie uchi/soto, hon’ne/tatemae oder ura/omote. Diese beschreiben unter anderem eine ausgeprägte Verschwiegenheit von Gruppen – und nicht selten sogar aller Japaner – gegenüber Außenstehenden. Damit nehmen sie einerseits eine wichtige Rolle in den wissenschaftlich höchst fragwürdigen, da essentialisierenden Japan-Diskursen (nihonjinron) ein, andererseits üben sie durch Ihre mediale Präsenz zugleich Wirkung auf Kultur und Gesellschaft Japans aus. In diesem Seminar befassen wir uns mit verschiedenen Formen des Geheimen in Japan aus kultur-, geschichts- und literaturwissenschaftlichen Perspektiven. Dabei analysieren wir insbesondere, wie, warum und mit welchen Folgen reales und imaginiertes Geheimes von Individuen und Gruppen auf vielfältige Art – ob kulturell, sozial, literarisch, diskursiv oder sogar wissenschaftlich – konstruiert, aufrechterhalten, weiterentwickelt oder auch aufgelöst wird. Geheimnisse halten Gruppen zusammen und schließen andere aus. Sie können unstillbare Neugierde, aber auch schlimmste Ängste schüren. Reale und frei erfundene, offene und streng gehütete Geheimnisse liegen oft sehr nah beieinander, unterfüttert von Schweigen und Lügen, Spekulationen und Gerüchten, Zweifeln und Glauben. Für das Seminar bietet sich eine große Auswahl von Themen an, die daher notwendigerweise beschränkt, aber durchaus im Einzelnen noch an Interessen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern angepasst werden kann. Wir beschäftigen uns mit legendenumwobenen Gruppen wie den Ninja und den Yamabushi, mit kriminellen wie den Yakuza, mit terroristischen wie der nationalistischen Kokuryukai oder der japanischen Roten Armee Fraktion, sowie mit staatlichen Geheimdiensten und Spionen wie Richard Sorge. Wir betrachten frühe Formen der geheimen Wissensweitergabe im Zusammenhang mit verschiedenen Traditionslinien und michi, etwa von Dichtung in Form des kokin denju, aber auch geheime Forschungen in der Moderne, etwa der Ethnologie und der Medizin in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Ein weiteres breites Feld ist die Zensur, von der Zeit der Landesabschließung (sakoku) über die totalitäre Kontrolle in den 1930er und 40er Jahren, Nachrichtensperren der Nachkriegszeit etwa zu Atomwaffen, bis hin zu aktuellen Einschränkungen gegen Wirtschaftsspionage und Whistleblower wie dem Act on the Protection of Specially Designated Secrets (SDS) von 2013. Auch in den religiösen Traditionen Japans findet sich eine Fülle an Mysterien und Tabus, angefangen bei den Geheimlehren des esoterischen Buddhismus über gesperrte heilige Bereiche bis hin zu verborgenen Statuen und Heiligtümern. In verschiedenen Phasen der Geschichte existierten geheime religiöse Gruppen wie die tantrische Tachikawaryu, die Kakure Kirishitan oder die Omu Shinrikyo. Genderwissenschaftliche Themen wie das Verbergen von höherstehenden Frauen in der Heian-Zeit oder Geheimnisse, Schweigen und Lügen zwischen den Geschlechtern sind ebenfalls Teil des Seminars. Schließlich bearbeiten wir auch eine Auswahl literarischer Texte, deren Schwerpunkt auf dem Geheimen liegt, etwa von Oe Kenzaburo, Inoue Yasushi, Matsumoto Seicho und Murakami Haruki. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erlangen durch die vergleichende Behandlung verschiedener japanologischer Forschungsthemen unter dem Aspekt des Geheimen sowohl einen breiten theoretischen und praktischen Überblick über das Feld als auch Kompetenzen, nicht nur mit wissenschaftlichen Quellen, sondern ebenso mit Quellen und Informationen, die oft genug zumindest als unsicher, mitunter sogar als dubios bewertet werden müssen, kritisch umzugehen. close

Suggested reading

Dennis, Michael Aron (1999): „Secrecy and Science Revisited: From Politics to Historical Practice and Back“. In: Reppy, Judith (Hrsg.): Secrecy and Knowledge Production. Cornell University Peace Studies Program. https://pacs.einaudi.cornell.edu/sites/pacs/files/Secrecy-and-Knowledge.pdf Manderon, Lenore et al. (Hrsg.) (2015): „On Secrecy, Disclosure, the Public, and the Private in Anthropology“. In: Current Anthropology 56, S12. https://www.journals.uchicago.edu/doi/full/10.1086/683302 Teeuwen, Mark (2006): „Introduction: Japan’s Culture of Secrecy from a Comparative Perspective.“ In: Scheid, Bernhard et al. (Hrsg.): The Culture of Secrecy in Japanese Religion. Abingdon, Oxon u.a.: Routledge. close

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