Der amerikanische Journalist Christian Caryl behauptet in seiner Studie Strange Rebels (2013), dass sich bereits 1979 der Übergang vom 20. ins 21. Jahrhundert vollzogen hat. Und er liefert für diese These triftige Argumente: Durch den Sturz des persischen Schahs und die Machtergreifung Chomeinis entsteht im Iran mit dem Islamismus eine neue ideologische Doktrin, während sich weltweit der Untergang des Sozialismus als Idee und Realität abzuzeichnen beginnt (marktwirtschaftliche Reformen in China, Antrittsenzyklika des Papstes Johannes Paul II. als Anstoß zur Solidarno??-Bewegung). Darüber hinaus erfährt mit dem Wahlsieg Margret Thatchers der Neoliberalismus eine Renaissance, die bis heute andauert (radikaler Rückbau des alten Sozialstaates, vehementes Eintreten für freie Finanz- und Handelsmärkte). Caryls Darlegung überzeugt, bewegt sich jedoch strikt auf der Ebene der politischen Akteure und lässt die ‚geistige Situation' weitgehend außer Acht. Dabei genügt schon ein flüchtiger Blick auf den europäischen und speziell deutschsprachigen Raum, auf die 1979 erschienenen und entstandenen Werke der Literatur und Filmkunst, der Philosophie und Geschichtstheorie, um zu erkennen, wie fruchtbar eine solche Perspektiverweiterung ist. Zahlreiche Texte und Filme aus diesem Jahr verweisen auf eine Zeitenwende, indem sie die bislang gültige Konfiguration von Zeit (Zeit "als absolutes Agens der Veränderung" (Gumbrecht)) und die damit verbundenen Ideologeme ("Fortschritt", "Emanzipation", "Telos der Geschichte") in Frage stellen. Im Seminar werden wir uns zunächst mit Auszügen aus philosophischen und geschichtstheoretischen Werken beschäftigen, um die zentralen Reflexionslinien zu markieren (Lyotard: Das postmoderne Wissen; Blumenberg: Arbeit am Mythos, Koselleck: Vergangene Zukunft). Anschließend stehen literarische Texte und Filme im Mittelpunkt, welche die Ursachen und Konsequenzen dieses Wandels veranschaulichen. Wir diskutieren u.a. Texte von Heiner Müller, Thomas Brasch, Christa Wolf, Hans Magnus Enzensberger, Uwe Timm, Peter Weiss, Stefan Hermlin, Wolfgang Hilbig und Jörg Fauser, analysieren Filme von Rainer Werner Fassbinder, Frank Beyer und Konrad Wolf. Schließen