16207 Seminar

WiSe 17/18: Aristoteles, De anima (Über die Seele)

Sandra Erker

Hinweise für Studierende

Das Seminar richtet sich an Studierende der Klassischen Philologie und Philosophie (mit und ohne Kenntnisse des Altgriechischen) und ist für interessierte Gasthörer/innen geöffnet.

Kommentar

In den Untersuchungen seiner Pragmatie „Über die Seele“ (De anima) geht Aristoteles der Frage nach, wie die Seele selbst, d.h. ihre Natur (Physis) und ihr Wesen (Ousía), bestimmt werden müsse. Dabei versteht Aristoteles Seele grundsätzlich als das Prinzip des Unterscheidens (krínein), wobei er eine Vielfalt an Unterscheidungsaktivitäten differenziert, an der sich das Potential dieser Natur der Seele ermessen lässt (etwa bei dem Menschen: die verschiedenen Formen von Wahrnehmung, Vorstellung, Meinung, rationales und vernünftiges Denken). Zugleich müsse Seele als das (bewegende) Prinzip aller lebendigen (und d.h. nach Aristoteles: beseelten) Körper betrachtet werden, gemessen an dem sich auch die spezifischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Lebewesen ausmachen lassen (Pflanzen, Tiere, Mensch).
Bei einer solchen Untersuchung über die Seele und ihren Wirkungsbereich, die Aristoteles in seiner Pragmatie unternimmt und auf deren wissenschaftlicher Methode und Gegenstandsbereich er zu Beginn von Buch I kritisch reflektiert, handele es sich daher um einen der bedeutendsten und schwierigsten Gegenstände der Philosophie, dessen Analyse weitreichende Konsequenzen für Fragen aus anderen Disziplinen, insbesondere der Physik, aber auch der Kosmologie, Biologie und Ethik mit sich bringt (und für Fragen aus dem Bereich der Aristotelischen Metaphysik interessant ist). Trotz dieser engen und vielfältigen Verzahnung mit anderen Disziplinen, des Anspruchs an das Argumentationsniveau, den bereits der Gegenstand erfordert, und nicht zuletzt auch der sprachlichen Ausarbeitung der vorliegenden Pragmatie sind die Untersuchungen in den drei Büchern „Über die Seele“ methodisch grundsätzlich von Aristoteles auf einführende Weise angelegt: In Auseinandersetzung mit früheren Denkern (z.B. Demokrit und Platon) verhandelt Aristoteles einführend verschiedene Konzepte zu dem Verhältnis von Seele und Körper, um in Abgrenzung von diesen bzw. in produktiver Auseinandersetzung mit diesen Konzepten schrittweise seine eigenen Thesen einzuführen und anhand der verschiedenen Unterscheidungsleistungen der Seele von den einfachsten Wahrnehmungsleistungen bis hin zur Vernunfttätigkeit der Seele zu entfalten, wobei er zentrale Problemfelder seiner Wissenschaft über die Seele absteckt: In welchem Verhältnis steht die Seele zum Körper? Wie wirkt sie auf diesen ein oder wird von ihm affiziert oder nicht (etwa bei der Wahrnehmung)? In welcher Weise müssen Fragen der Physik (Körper, Ort, Bewegung) auch in der Psychologie betrachtet werden - und gehören sie damit bereits genuin zu dem Gegenstandsbereich dieser Wissenschaft? Wie kann eine Seele, die sich in verschiedenen Aktivitäten differenzieren lässt, dennoch als Einheit verstanden werden? Könnte man überhaupt eine Wissenschaft von der Seele betreiben, wenn sie sich nicht als etwas Eines und Bestimmtes begreifen ließe? Was ist Vorstellung (phantasia) und wie muss sie im Bereich der seelischen Aktivitäten eingeordnet werden? Lassen sich bestimmte Aspekte der Seele unabhängig vom Körper denken, dessen Bewegungsprinzip sie ist – oder anders gefragt: Ist die Seele oder etwas an der Seele unsterblich? In welcher Weise lässt sich die Selbsterkenntnis der Seele mit Blick auf die Aktivität des Intellekts (Nous) beschreiben und begründen? Worin besteht die spezifische Aktivität der Vernunfttätigkeit (Nous) der Seele und wie lassen sich Aristoteles‘ Differenzierungen zwischen aktivem und passivem Nous verstehen?

Das Seminar gibt eine grundsätzliche Einführung in die Pragmatie des Aristoteles und die damit verbundenen Fragestellungen, wobei in Auseinandersetzung mit aktuellen Forschungsdiskursen zu De anima der Fokus auf der Erschließung des Primärtextes liegen wird, über den wir uns im Semester in Gänze einen Überblick verschaffen und dabei zentrale Passagen in eingehender Textarbeit und Analyse diskutieren werden. Im Zusammenhang mit Buch III sollen zudem relevante Diskussionen aus der spätantiken Tradition zum Nous und zu der Unsterblichkeit der Seele herangezogen werden, die im Mittelalter und in der frühen Neuzeit reich rezipiert und wirkungsreich diskutiert wurden.

Die Veranstaltung richtet sich an Studierende der Klassischen Philologie und Philosophie und ist für interessierte Gasthörer/innen geöffnet. Griechischkenntnisse sind keine Teilnahmebedingung: In den Sitzungen werden wir von dem griechischen Original ausgehen, das von den Fachstudierenden der Klassischen Philologie übersetzt wird, während Teilnehmer/innen ohne Griechischkenntnisse problemlos auf Ausgaben mit Übersetzung zurückgreifen können (s. Hinweise unten). Dabei nehmen wir im Plenum bei der Arbeit am Text kritisch Bezug auf verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten (die immer bereits eine bestimmte Interpretation des Textes beinhalten), werden diese gemeinsam diskutieren, kontextualisieren und gegeneinander abwägen. Das Seminar führt damit einerseits Teilnehmer/innen mit Griechischkenntnissen in die besondere sprachliche Stilistik und Methodik des Aristoteles am griechischen Originaltext ein und bietet andererseits für interessierte Teilnehmer/innen ohne Griechischkenntnisse eine Einführung in zentrale griechische Begriffe der Aristotelischen Terminologie, übt den kritischen Umgang mit Übersetzungen philosophischer Texte der Antike und gibt anhand von De anima exemplarisch Einblick in die besondere textliche Konstitution und Überlieferungssituation, deren Verständnis für philosophische Texte der Antike allgemein von Bedeutung ist –gerade aber im Fall der Aristotelischen Pragmatien und ihrer Rezeption bzw. im Fall von Aristoteles‘ Schrift „Über die Seele“ (De anima) von besonderer Relevanz ist.

Begleitendes Material und weiterführende Literaturhinweise werden wie üblich im Blackboard semesterbegleitend zur Verfügung gestellt. Schließen

Literaturhinweise

[1] Zur Einführung empfohlen:
Andree Hahmann, Aristoteles‘ „Über die Seele“. Ein systematischer Kommentar, Stuttgart 2016.

[2] Textkritische Ausgabe (Primärtext im griechischen Original):
Aristotle, De anima, ed. with introduction and commentary by W.D. Ross, Oxford 1961.

[3] Empfohlene Ausgaben mit Übersetzung:
Aristoteles, Über die Seele. De anima, Griechisch-Deutsch, übers. mit einer Einleitung und Anmerkungen hg. von K. Corcilius, Hamburg 2017.
C. Shields, Aristotle. De anima, Oxford 2016. [engl. Übersetzung mit Kommentar]

[4] Moderne Kommentare (Auswahl):
C. Shields, Aristotle. De anima, Oxford 2016.
R. Polansky, Aristotle’s De anima, Cambridge 2007.
R. D. Hicks, Aristotle. De anima, Oxford 1913 (= Nachdruck Olms 1990).

Weiterführende Hinweise zu Literatur und Semesterprogramm erhalten Sie in der ersten Sitzung. Begleitendes Material und weiterführende Literaturhinweise werden wie üblich im Blackboard semesterbegleitend zur Verfügung gestellt. Schließen

16 Termine

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