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SoSe 13: Theorie und Geschichte der Synkrisis

Bernhard Metz

Kommentar

Bereits im Alpha der Ilias (und in vielen folgenden Gesängen) begegnet eine rhetorische Auseinandersetzung: Agamemnon und Achilleus gehen nicht mit Waffen aufeinander los, sondern mit Worten, das Kräftemessen der Helden wird in ein anderes Register verschoben und zum verbalen Wettstreit. Synkrisis (súnkrisis), lateinisch comparatio, bezeichnet den wertenden Vergleich, die vergleichende agonistische Gegenüberstellung von Personen, Argumenten, Sachverhalten, bei strikter Entscheidung für die eine oder andere Seite. Als Synkrisis (neben agón lógon) und Comparatio (neben conflictus, disputatio, dialogus, controversia) werden aber auch Streitgesang, Streitgedicht oder Streitgespräch bezeichnet. In literarischen Texten dient sie Lob oder Tadel von Personen und Sachverhalten, rhetorisch ist sie ein Darlegungsverfahren, in einen Argumentationszusammenhang eingebunden, der auf Überzeugung (persuasio) abzielt. Weit mehr als eine rhetorische Figur ist die Comparatio in literarischen Texten aber auch die Inszenierung eines Überbietungs- und Streitgesprächs, Redeagons und Wettstreits, verortet an der Schnittstelle von Rhetorik und Poetik, der Inszenierung rhetorischer Agonen und der Ausstellung von Beredsamkeit. Im Seminar wollen wir beginnend mit Helden- und Sängerwettkämpfen und Dramenwettstreiten in den antiken Epen, dem ältesten Literaturstreit der westlichen Literatur, dem Certamen Homeri et Hesiodi, und Lukians Satiren einen weiten Bogen zur Gegenwartsliteratur schlagen: Comparatio taucht in den europäischen Literaturen in verschiedenen Ausformungen immer wieder auf, in Konversationsromanen oder Justizdramen, bei experimentellen Autoren wie Arno Schmidt oder noch in den dialogischen Selbstgesprächen und Suaden Hermann Burgers oder Thomas Bernhards. Zugleich bietet das Seminar die Möglichkeit, eine komparatistische Grundoperation theoretisch zu untersuchen und als grundlegendes Kulturmodell und Chiffre kognitiver Selbst- und Weltwahrnehmung in den Blick zu nehmen (Stichwort 'Rankingkultur', 'Kulturen des Vergleichs' etc.). Zur vorherigen Lektüre empfehlen sich folgende Handbuchartikel: Bebermeyer, Gustav, "Streitgedicht/Streitgespräch", in: Klaus Kanzog & Achim Masser (eds.), Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Begründet von Paul Merker und Wolfgang Stammler. Vierter Band, Berlin & New York: de Gruyter 1984, 228-245; Gärtner, Hans Armin, "Synkrisis", in: Hubert Cancik & Helmuth Schneider (eds.), Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, 16 voll., Stuttgart & Weimar: Metzler 1996-2003, vol. XI (2001), 1156; Kneepkens, Corneille Henri, "Comparatio", in: Gert Ueding (ed.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, 10 voll., Tübingen: Niemeyer 1992-2012, vol. II (1994), 293-299. Schließen

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Do, 11.04.2013 14:00 - 15:30

Dozenten:
Bernhard Metz