Charles Percy Snows Wort von den "zwei Kulturen" von Geistes- und Naturwissenschaften hat eine lange Reihe an Reflexionen über Zusammenhänge und Differenzen von Kunst und Wissenschaft provoziert. Die neuere Theaterwissenschaft hat im Zuge ihrer kulturwissenschaftlichen Horizonterweiterung und insbesondere mit ihrer Perspektive auf Formen der Theatralität und der Performanz Ansätze entwickelt, mit denen die auch ‚künstlerische' und ästhetische Dimension der Naturwissenschaften erfasst und analysiert werden können. Das Seminar will an diesem Punkt ansetzen und der Frage nach dem Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft mit Schwerpunkt auf dem Drama nachgehen. Im Zentrum stehen dabei zum einen Theaterstücke von Naturwissenschaftlern für ein naturwissenschaftlich gebildetes Publikum, zum anderen Dramen von Schriftstellern, die die Naturwissenschaften thematisieren und sich an ein nicht-naturwissenschaftlich gebildetes Publikum richten. Besonderes Augenmerk soll dabei auf dem akademischen Gelegenheitsdrama liegen, da diese Textsorte von der Forschung bislang weitgehend übersehenen oder ignoriert worden ist. Jenseits der Frage nach literaturästhetischer Qualität stellen diese Texte aber aufgrund ihrer Herkunft und ihres intentionalen Bezugs auf eine spezifische soziale Gruppe eine bedeutsame Quelle für die Untersuchung kollektiver Selbstwahrnehmung dar. An einer Reihe von Gelegenheitsdramen aus den Naturwissenschaften des 20. und 21. Jahrhunderts soll daher der theater- und wissenschaftshistoriographische Umgang mit dieser Quellengattung geübt werden. Parallel dazu sollen die ‚klassischen' Theatertexte analysiert werden, die die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft thematisieren, um im Vergleich das Spektrum von Selbst- und Fremdimagologie der Wissenschaft in der Moderne herauszuarbeiten. (Kontakt: hole.roessler@web.de) Schließen