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SoSe 14: Kindheit, Körper und Emotionen - Perspektiven anthropologischer Sozialisationsforschung

Gabriel Scheidecker

Kommentar

Die Sozialisationsperspektive ist ein integraler Bestandteil der psychologischen Anthropologie. Allgemein geht es dabei um die Frage, wie Kinder in ihr jeweiliges soziales und kulturelles Umfeld hineinwachsen und in Interaktionen mit ihren Bezugspersonen deren Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Formen des Fühlens erlernen und transformieren. Die Körperlichkeit und Emotionalität spielt dabei eine herausragende Rolle, da Kinder im Prozess der Sozialisation die Bedeutungen, Werte und Normen ihres soziokulturellen Milieus verkörpern bzw. in einer körperlichen Art und Weise zu fühlen lernen. Der Aufbau des Seminars folgt dem Verlauf der Ontogenese:

1. Nach der Erarbeitung eines Überblicks zur Geschichte und den verschiedenen Ansätzen der anthropologischen Sozialisationsforschung werden wir im ersten Drittel des Seminars Forschungsliteratur zur sog. Säuglingsphase diskutieren. Welcher Stellenwert und welche Bedeutung werden beispielsweise dem Körperkontakt, dem Stillen oder Lächeln in verschiedenen soziokulturellen Kontexten beigemessen? Wie werden solche Interaktionsformen von unterschiedlichen Autoren interpretiert und bewertet?

2. Im zweiten Drittel des Seminars setzen wir uns vor allem mit emotionalisierenden Erziehungspraktiken wie etwa dem Loben, Beschämen, Ängstigen oder Körpersanktionen in der Kindheit auseinander. Welche emotionalisierenden Praktiken werden in unterschiedlichen Kontexten favorisiert? Wie werden diese sowohl von den Beteiligten als auch von den Sozialisationsforschern ethisch beurteilt?

3. Zuletzt wenden wir uns der Adoleszenz zu und beschäftigen uns insbesondere mit körperlich und emotional herausfordernden ‚Prüfungen‘ im Rahmen von Initiationsritualen, die bekanntermaßen weltweit verbreitet sind.

Ziele dieser Lehrveranstaltung sind einerseits, Einblicke in die Vielfalt von Sozialisationspraktiken zu gewinnen und andererseits, die kulturelle und historische Bedingtheit der verschiedenen Forschungsansätze aufzudecken. Nicht zuletzt soll das Seminar dazu befähigen, die normativen, besonders von der Psychologie propagierten Vorstellung zur Entwicklung und Erziehung im euro-amerikanischen Raum kritisch und fundiert zu reflektieren. Schließen

Literaturhinweise

- LeVine, R. A. (2007). Ethnographic studies of childhood: A historical overview. American Anthropologist 109(2), 247-260.
- Montgomery, H. (2008). An introduction to childhood: Anthropological perspectives on children's lives. John Wiley & Sons, 17-49.

Säuglingsalter:
- LeVine, R. A., Dixon, S., LeVine, S., Richman, A., Keefer, C. H., Brazelton, T. B., & Leiderman, P. H. (1996). Child care and culture: Lessons from Africa. Cambridge University Press, 7-53.
- Conklin, B. A., & Morgan, L. M. (1996). Babies, bodies, and the production of personhood in North America and a native Amazonian society. Ethos 24(4), 657-694.

Kindheit:
- Quinn, N. (2005). Universals of child rearing. Anthropological Theory 5(4), 477-516.

Adoleszenz:
- Montgomery, H. (2008). An introduction to childhood: Anthropological perspectives on children's lives. John Wiley & Sons, 201-233.
- Lancy, D. (2008). The anthropology of childhood: Cherubs, chattel, changelings. Cambridge University Press, 272-304. Schließen