16725 Graduate Course

SoSe 14: Psychoanalytische Konzeptionen des literarischen Kunstwerks

Dominic Angeloch

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Dass es so unbekannt ist, macht es nicht weniger wahr: Die frühe Psychoanalyse begreift das Kunstwerk zunächst wesentlich als Form. Diese Form betrachtet sie in einer Reihe von Formen, die als psychische Bildungen allesamt denselben Zweck haben - die Erfüllung unbewusster Wünsche -, zur Erfüllung dieses Zwecks aber völlig verschiedene, je eigene Möglichkeiten bieten. Aus dieser Perspektive erarbeitet die Psychoanalyse seit nunmehr fast 120 Jahren die vielfältigsten Hypothesen zum gesamten ästhetischen (Kommunikations-)Prozess - eine Annäherung an Kunst, Künstler und Rezipient, die unsystematisch verläuft, der aber gleichwohl eine verborgene Systematik zugrunde liegt, die sich nachzeichnen lässt. Ausgehend von den wichtigsten Ansätzen psychoanalytischer Ästhetik soll im Seminar ein Verständnis der psychoanalytischen Konzeption des literarischen Kunstwerks erarbeitet werden. Mittels einer eingehenden Lektüre ausgewählter theoretischer Texte Freuds, aber auch wesentlich unbekannterer Pionierarbeiten seiner Schüler, verschaffen wir uns zunächst ein Verständnis der Grundlagen. Von hier aus tasten wir uns in die Weiterentwicklungen vor: Mit der Kritik und Abkehr von der Traum-Analogie als beherrschendem Paradigma psychoanalytischer Ästhetik rücken auch neue, vielgestaltige psychoanalytische Annäherungen an Literatur in den Blick, die von den Erkenntnissen psychoanalytischer Theorie und Praxis ausgehen und den spezifischen Eigenschaften literarischer Texte wie auch der philologischen Erkenntnissituation Rechnung tragen. Unter diesen neuen Ansätzen sticht besonders die Übertragungs-Gegenübertragungs-Konzeption hervor: In Analogie zum Übertragungsgeschehen in der analytischen Sitzung und unter Aufnahme zentraler Erkenntnisse der Wirkungsästhetik nach Iser und Jauß entwickelt, bietet sie ein Instrumentarium psychoanalytischen Lesens, das erstmals auch Widerstand und Abwehr als substantielle Momente ästhetischer Erfahrung in den Blick zu nehmen erlaubt. Wir wollen diese Methode im Seminar erproben, indem wir gemeinsam Passagen aus verschiedenen literarischen Texten im close reading-Verfahren lesen und unter Einbeziehung gegenübertragungsanalytischer Lektüren diskutieren. Zur Vorbereitung bitte lesen: Adorno, Theodor W.: Zum Studium der Philosophie. In: Ders.: Gesammelte Schriften Bd. 20.1 (Vermischte Schriften I), Frankfurt/M.: Suhrkamp: 318-326. Und: Freud, Sigmund: Der Traum. In: Ders.: Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalye Und Neue Folge. Studienausgabe Bd. I, Frankfurt/M.: S. Fischer, 2000: 101-241. (Da wir die Freud-Studienausgabe über das ganze Seminar immer wieder heranziehen werden, wird die Anschaffung empfohlen.) Sowie zur ferneren Kenntnisnahme: Iser, Wolfgang: Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung. München: UTB 1994. Matt, Peter von: Literaturwissenschaft und Psychoanalyse. Stuttgart: Reclam, 2001. Schönau, Walter u. Pfeiffer, Joachim: Einführung in die psychoanalytische Literaturwissenschaft. Stuttgart, Weimar: Metzler, 2003. close

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