16047 Seminar

SoSe 14: Freiheit und Autonomie des Straftäters?

Theda Rehbock

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Sprechstunde: Mo 16-17 Uhr (Anmeldung per Mail: theda.rehbock@t-online.de)

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Sind wir in unserem Wollen und Handeln wirklich frei? Sind wir in der Lage selbst zu bestimmen, was wir wollen und tun? Oder ist unser Wollen und Handeln durch genetische, neurophysiologische, soziale und andere Einflüsse so sehr "determiniert", dass Freiheit und Selbstbestimmung oder Autonomie unmöglich sind? Der Streit um diese Frage, die die Philosophie seit ihren Anfängen bis heute beschäftigt, entzündet sich in besonderer Weise immer wieder am Strafrecht. Denn wie ist es möglich, einem Straftäter seine Tat zum Vorwurf zu machen, ihn dafür zur Verantwortung zu ziehen und zu bestrafen, wenn er "gar nicht anders handeln" konnte? So sind zwar einerseits in der modernen Gesellschaft Recht und Politik in besonderer Weise auf die Freiheit und Autonomie des Individuums ausgerichtet, andererseits aber scheint es auf Grund des Fortschritts der Humanwissenschaften zunehmend fraglich zu sein, ob oder in welchem Sinne dem Einzelnen diese Freiheit und Autonomie überhaupt zugeschrieben werden kann. Zudem bedienen sich Recht und Politik, ihrer eigenen Logik folgend, notwendiger Weise der Gewalt und des Zwanges, um die Freiheit des Einzelnen zu schützen. In dieser verzwickten Lage ist es besonders notwendig, die Begriffe zu klären, die in den Debatten über diese Fragen zugrunde gelegt werden. Das soll für die Begriffe der Freiheit und Autonomie im Seminar ein Stück weit geschehen, und zwar auch mit konkretem Bezug auf Straftatgeschichten: insbesondere auf die (kürzlich auch verfilmten) Kurzgeschichten aus dem Band "Verbrechen" von Ferdinand von Schirach (vor allem "Fähner") sowie auf Dostojewskis Roman "Verbrechen und Strafe" (bekannter unter dem früheren Titel "Schuld und Sühne"). Die Freiheitsfrage soll vor allem in Bezug auf die beiden klassischen Strafrechtstheorien erörtert werden. Während das Verständnis von Strafe als gerechte "Vergeltung" für moralisch schuldhaftes Handeln ein starkes Verständnis von Freiheit und Autonomie voraussetzt, vertreten deterministische Positionen eine rein oder vorwiegend präventionstheoretische Auffassung der Strafe als Mittel zur Verhinderung zukünftiger Straftaten. Besondere Aufmerksamkeit wird zum einen kompatibilistischen Positionen in der gegenwärtigen Freiheitsdebatte gelten (Michael Pauen, Peter Bieri), die eine gewisse Nähe zu Positionen einer "Vereinigungstheorie" (Claus Roxin, Winfried Hassemer) aufweisen, welche vergeltungs- und präventionstheoretische Elemente miteinander verbinden. Zum anderen sollen, im Kontrast dazu, in der der zweiten Hälfte des Semesters die klassischen Konzeptionen von Freiheit und Autonomie bei Kant und Hegel mit Bezug zu ihrem vergeltungstheoretischen Verständnis von Strafe genauer geklärt und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die gegenwärtige Diskussion diskutiert werden. Das Seminar wendet sich an fortgeschrittene Studierende. Grundkenntnisse der praktischen Philosophie werden vorausgesetzt. Eine etwas größere Vertrautheit mit der Kantischen Moral- und Rechtsphilosophie wäre von besonderem Vorteil. Auf Grund der Kürze des Sommersemesters und zahlreicher Feiertage (Ostermontag, Pfingstmontag) biete ich für Samstag, den 21. Juni, einen 4-6stündigen Blocktermin für eine intensivere Kant- und Hegellektüre an. Dieser zusätzliche Termin ist keine Teilnahmebedingung, aber es wäre schön, wenn, wer am Seminar teilnehmen möchte, sich diesen Termin schon mal einplanen würde. Literaturhinweise Peter Bieri, Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens, München/Wien 2001 (insbes. Kap.9: Lebensgeschichte und Verantwortung: Raskolnikov vor dem Richter). Winfried Hassemer, Warum Strafe sein muss. Ein Plädoyer, Berlin 2009. Avishai Margalit, The Decent Society, dt. Politik der Würde. Über Achtung und Verachtung, Berlin 1997 (darin besonders Kap.16 "Strafe"). Michael Pauen, Illusion Freiheit? Mögliche und unmögliche Konsequenzen der Hirnforschung, Frankfurt am Main 2004. Michael Pauen/Gerhard Roth, Freiheit, Schuld und Verantwortung. Grundzüge einer naturalistischen Theorie der Willensfreiheit, Frankfurt am Main 2008. Theda Rehbock, "Freiheit, Autonomie und Menschenwürde des Straftäters angesichts der Herausforderungen durch die Neurowissenschaften", in: Heike Baranzke/Gunnar Duttge (Hrsg.), Autonomie und Würde. Leitprinzipien in Bioethik und Medizinrecht, Würzburg 2013, 121-156. Claus Roxin, Strafrecht. Allgemeiner Teil. Band I: Grundlagen - Der Aufbau der Verbrechenslehre, München 2006 (besonders §§ 3, 19). Ferdinand von Schirach, Verbrechen, München/Zürich 2010 (darin vor allem die Geschichte "Fähner"). Weitere Literatur und die zu lesenden Texte, insbesondere auch zu Kant und Hegel, werden zu Semesterbeginn auf Blackboard zur Verfügung gestellt. close

Suggested reading

Peter Bieri, Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens, München/Wien 2001 (insbes. Kap.9: Lebensgeschichte und Verantwortung: Raskolnikov vor dem Richter). Winfried Hassemer, Warum Strafe sein muss. Ein Plädoyer, Berlin 2009. Avishai Margalit, The Decent Society, dt. Politik der Würde. Über Achtung und Verachtung, Berlin 1997 (darin besonders Kap.16 "Strafe"). Michael Pauen, Illusion Freiheit? Mögliche und unmögliche Konsequenzen der Hirnforschung, Frankfurt am Main 2004. Michael Pauen/Gerhard Roth, Freiheit, Schuld und Verantwortung. Grundzüge einer naturalistischen Theorie der Willensfreiheit, Frankfurt am Main 2008. Theda Rehbock, "Freiheit, Autonomie und Menschenwürde des Straftäters angesichts der Herausforderungen durch die Neurowissenschaften", in: Heike Baranzke/Gunnar Duttge (Hrsg.), Autonomie und Würde. Leitprinzipien in Bioethik und Medizinrecht, Würzburg 2013, 121-156. Claus Roxin, Strafrecht. Allgemeiner Teil. Band I: Grundlagen - Der Aufbau der Verbrechenslehre, München 2006 (besonders §§ 3, 19). Ferdinand von Schirach, Verbrechen, München/Zürich 2010 (darin vor allem die Geschichte "Fähner"). Weitere Literatur und die zu lesenden Texte, insbesondere auch zu Kant und Hegel, werden zu Semesterbeginn auf Blackboard zur Verfügung gestellt. close

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