Seit der Odyssee und den griechischen Tragödien fragt europäische Literatur und Philosophie nach der Aufnahme des Fremden. Die Gesetze der Gastfreundschaft, die Riten des Empfangs sowie die Rhetorik der Zurückweisung zeugen von der Ambivalenz, mit der dem Fremden als Freund und/oder Feind begegnet wird. Literatur ist ein gastlicher Ort, an dem die unterschiedlichsten Fremden, Gespenster, Tote, Götter, Exilierte, von Vergessen oder Verdrängung Bedrohte aller Art Zuflucht finden. In der Frage der Gastfreundschaft thematisiert Literatur, die durchzogen ist von anderen Stimmen und Sprachen, nicht zuletzt ihr eigenes Ethos. Was heißt und was gibt Zuflucht? Das Stück "Le Dernier Caravansérail" (Die letzte Karawanserei), das Ariane Mnouchkines Théâtre du Soleil 2003 inszeniert und 2006 verfilmt hat, wird das Seminar eröffnen. Danach sollen, nach einem Blick auf Gastrecht und Gastfreundschaft in Texten der Antike, die Bibel inbegriffen, textnah einige philosophische und literarische Werke gelesen werden, deren endgültige Auswahl mit den Teilnehmenden getroffen wird, etwa von Molière, Kant, Kleist, E. Jabès, H. Arendt, J. Derrida. Da das Seminar als Blockseminar stattfindet, werden die Teilnehmenden gebeten, vor Seminarbeginn per Email Kontakt zur Dozentin aufzunehmen, um genauere Angaben zum Seminarverlauf zu erhalten und sich für ein Referatsthema zu entscheiden.

Die erste Blocksitzung findet am 24. und 25. April statt, die zweite nach Absprache im Juni.

Zur Vorbereitung: Le Théâtre du Soleil, Le Dernier Caravansérail (DVD, 2006) (http://www.theatre-du-soleil.fr/thsol/nos-spectacles-et-nos-films/nos-films,13/le-dernier-caravanserail-2006/note-d-intention?lang=fr), Jacques Derrida: Von der Gastfreundschaft, Wien 2001; Jacques Derrida: Weltbürger aller Länder, noch eine Anstrengung! Berlin 2003