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SoSe 15: Ovids Exildichtung

Melanie Möller

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Cur aliquid vidi? Diese vieldeutige Frage stellt Ovid im 2. Buch der Tristien (v. 103), die im Exil in Tomis entstanden sind. Das zweite Buch soll auch im Zentrum unserer Auseinandersetzung mit den Tristien stehen: Ovid versifiziert hier verschiedene mögliche Gründe, die zu seiner Verbannung durch Augustus geführt haben könnten. Wir wollen entscheidende Passagen dieses kunstvollen Plädoyers gemeinsam lesen und diskutieren. Hinzu kommen ausgewählte Stücke aus den anderen vier Büchern der "Trauergedichte" und aus der zweiten Sammlung von im Exil verfassten elegischen Briefen, den Epistulae ex Ponto. Zunächst die Tristien: Beginnen werden wir mit dem "Abschied von Rom" (Buch 1). In Buch 3 entwickelt Ovid fesselnde Gedanken zum Zusammenhang von Dichtung und Macht; die Bücher 4 und 5 sind durch poetische und philosophische Reflexionen (Trauer, Zeit, Vergänglichkeit) gekennzeichnet, welche oftmals in Schilderungen aus dem Bereich der persönlichen Lebensverhältnisse des Dichters eingeflochten sind (Beziehung zu seiner Frau, zu Freunden und Feinden, Ängste, Hoffnungen, Erwartungen u.v.m.). Diesem Komplex wollen wir uns von Elegie 4, 10 her nähern, einem Schlüsselgedicht, das Ovid als "Schöpfer der poetischen Autobiographie" (M. von Albrecht) erscheinen lassen könnte. Aus den vier Büchern der Epistulae ex Ponto wollen wir die Briefe 2, 3-8 in ihrem Zusammenhang erschließen und diskutieren; von besonderem Interesse ist hier die soziologische Struktur, die sich auch in der jeweiligen Widmung und dem engeren Adressatenkreis fassen lässt. In diesem Zusammenhang wollen wir auch den Ibis befragen, das energische Schmähgedicht Ovids, das in mancherlei Hinsicht als eine Art mise en abyme seines eigenen Schicksals konzipiert ist. Leitendes Thema bleibt uns die Frage nach der Konfiguration des Schreibens im Exil. Welche Selbstentwürfe, welche Bedingungen der Möglichkeit eines "Ichs", das sich selbst im Schreiben zugleich zu entwerfen, zugleich aufs Spiel zu setzen scheint, sind in Ovids Elegien greifbar? close