Welche Rolle spielen Wahrheit und die Praxis des Wahrsprechens für die Ethik? Wahrheit, so scheint es, ist zunächst eine Eigenschaft von Sätzen, nicht von Handlungen. Wenn Handlungen ethisch danach beurteilt werden, ob sie gut oder schlecht sind, so scheint die Kategorie des Wahren hierfür zunächst keine Rolle zu spielen. Und doch hängen Wahrheit und Moral bzw. Ethik auf eigentümliche Weise zusammen, wie Philosophen wie Immanuel Kant, Friedrich Nietzsche, Hannah Arendt und Michel Foucault reflektiert haben. Wir sprechen z.B. davon, dass es unmoralisch sei, zu lügen, ja, dass wir uns oder anderen "die Wahrheit schulden". Im politischen Kontext wird zuweilen ein 'Recht auf Wahrheit' geltend gemacht. Werte wie Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit und die Praxis des Wahr-Sprechens nehmen eine wichtige Rolle in unseren Vorstellungen von Moral und Ethik ein. Warum? Inwiefern sind Wahrheit und Wahrhaftigkeit eine Voraussetzung für Moral und ethisches Lernen? Was bedeutet es ethisch für ein Subjekt, die Wahrheit auszusprechen, welche Risiken geht er oder sie damit ein? Was bedeutet es schließlich für seine(n) AddressatIn? Diesen Fragen möchten wir anhand klassischer Texte aus der praktischen Philosophie, aber auch neuerer Diskussionsbeiträge nachgehen. Ein Schwerpunkt wird dabei auf Michel Foucaults Vorlesungen über das Phänomen der Parrhesia liegen. Zur Einführung: Petra Gehring, Andreas Gelhard (Hg.): Parrhesia. Foucault und der Mut zur Wahrheit. Zürich: Diaphanes 2012 Schließen