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Seminar
SoSe 16: Unnatürliches Erzählen
Christina Lydia Färber
Kommentar
„Damals konnte und konnte ich jedoch nicht begreifen, was es heißen sollte, daß man mich das Eigentum eines Menschen nannte. Die Worte: ,mein Pferd‘, die sich auf mich, ein lebendes Wesen bezogen, dünkten mich damals ebenso seltsam wie die Worte ,mein Land‘, ,meine Luft‘, ,mein Wasser‘.“ (Lev Tolstoj, Der Leinwandmesser (Холстомер), 1886) - Die Auseinandersetzung mit physikalisch oder (epistemo)logisch unmöglichen Perspektiven und Szenarien innerhalb der erzählten Welt eines literarischen Textes ist nicht erst mit Erzählungen der Postmoderne bedeutsam geworden. Vielmehr ist es eine Grundeigenschaft literarischer Texte, Realität nicht nur abzubilden, sondern auch zu verfremden bzw. zu produzieren. In der erzähl- und fiktionstheoretischen Forschung findet sich eine Vielzahl von Konzepten für die Unterscheidung von (Verhältnissen von) Wirklichkeiten in literarischen Texten. Zuletzt hat der Begriff des „unnatürlichen Erzählens“ von Jan Alber einige Beachtung erhalten, der dem Seminar zunächst als Ausgangspunkt dienen soll.
Erzählperspektiven, die in der Realität, wie wir sie kennen, schlicht unmöglich sind bzw. Sujets, die mimetische Erzählmodelle unterlaufen, erfordern eine prinzipielle Unterscheidung zwischen der Ebene der Darstellung und der Ebene des Dargestellten. Dabei erscheint konventionalisiertes Erzähltes in Textgattungen wie Science Fiction und Märchen gegenüber einer stilisierten, unmöglichen Darstellungsperspektive (etwa tierischen, toten, allwissenden oder phantastischen Erzählern) graduell unterschiedlich unmöglich.
Erzählerische Paradoxien, der Verlust der Verlässlichkeit der Darstellungs- und Wahrnehmungsorigo und unlogische Grenzexperimente, die von ‚unnatürlichen‘ Perspektiven und Textwelten produziert werden, sollen deswegen im Seminar besondere Beachtung erfahren. Verschiedene literarische Versuchsanordnungen sollen auf ihr unnatürliches/natürliches, unmögliches/mögliches, unzuverlässiges/zuverlässiges Erzählen und ihre autopoietischen Verfahren untersucht werden; dabei soll der Frage nachgegangen werden, welche Kategorien der modernen Fiktionsforschung sich eignen für ein erweitertes Verständnis von Erzählperspektiven, die durch ihre (Un-)Natürlichkeit auf die Bedingungen und Verfahren von Erzählen überhaupt sowie auf die (Un-)Möglichkeit von Repräsentation verweisen. Dabei soll auch diskutiert werden, inwiefern erzähltheoretische Modelle mit dem Anspruch, jegliche Formen des Erzählens abzudecken, spezifische Charakteristika von Erzählsituationen zu nivellieren drohen.
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Literaturhinweise
Zur Vorbereitung empfohlen: Alber, Jan/Heinze, Rüdiger (Hg.): Unnatural Narratives – Unnatural Narratology. Berlin/Boston: De Gruyter, 2011
13 Termine
Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung
Do, 21.04.2016 16:00 - 18:00
Do, 28.04.2016 16:00 - 18:00
Do, 12.05.2016 16:00 - 18:00
Do, 19.05.2016 16:00 - 18:00
Do, 26.05.2016 16:00 - 18:00
Do, 02.06.2016 16:00 - 18:00
Do, 09.06.2016 16:00 - 18:00
Do, 16.06.2016 16:00 - 18:00
Do, 23.06.2016 16:00 - 18:00
Do, 30.06.2016 16:00 - 18:00
Do, 07.07.2016 16:00 - 18:00
Do, 14.07.2016 16:00 - 18:00
Do, 21.07.2016 16:00 - 18:00