16446
Hauptseminar
SoSe 16: Hermaphroditismus - hybride Geschlechter und Geschlechtertranszendenz als Modell künstlerischer Genialität
Barbara Ventarola
Kommentar
Seit jeher stellt der Hermaphroditismus ein ambivalentes Konzept dar.
Einerseits wird er vielfach gesellschaftlich geächtet; andererseits wird er seit dem Altertum als Ideal von Totalität und Vollkommenheit, als Urzustand einer Einheit vor der Spaltung in unterschiedliche Geschlechter verklärt. Im orphischen Weltentstehungsmythos wird Phanes, der erste Gottmensch, als Hermaphrodit vorgestellt, Platon schafft in seinem Symposion den Mythos der zweigeschlechtlichen Ur-Kugelmenschen, und im 17. Jahrhundert bezeichnet Thomas Browne gar Adam als Hermaphroditen, weil er vor der Abspaltung Evas beide Geschlechter in sich vereinige. Als eine solche Geschlechtertranszendenz spielt der Hermaphroditismus auch in der Geschichte der Konzipierung von Genialität eine Rolle. Von Coleridge ist der berühmte Satz überliefert: „A great mind must be androgynous“, auf den sich vor allem Virginia Woolf bei ihrer Konzipierung des androgynen Genies beziehen wird. Auch Julia Kristeva spricht vom Ideal einer „bisexualité psychique du génie“, sieht in dieser Vorgabe jedoch vor allem eine Unterdrückung und Vereinnahmung des Weiblichen am Werk.
Im Seminar wollen wir uns verschiedene theoretische und literarische Modellierungen von Hermaphroditismus bzw. Androgynität ansehen und untersuchen, wie hybride Geschlechtlichkeit jeweils für die Konzipierung von Genialität fruchtbar gemacht wird und welche Genderkonzepte dahinterstehen. Ein besonderes Augenmerk wird auch auf der Frage liegen, ob man von einer spezifischen écriture androgyne sprechen kann, welche Möglichkeiten dieses Konzept für die Literaturtheorie und -geschichte birgt und welche Grenzen es aufweist. Auf diese Weise wollen wir versuchen, bisherigen Geschichten der Konzipierung von Genialität, die in der Tat durch eine gewisse Geschlechterasymmetrie geprägt sind, einen neuen Blick zu eröffnen.
Folgende Autor/innen könnten im Zentrum unserer gemeinsamen Analysen stehen: Platon, Thomas Browne, Sor Juana Inés de la Cruz, Françoise de Graffigny, Johann Joachim Winckelmann, Samuel Taylor Coleridge, Annette von Droste-Hülshoff, Clemens Brentano, Gustave Flaubert, Marcel Proust, Virginia Woolf, Thomas Mann, Ricarda Huch, Marguerite de Yourcenar, Doris Lessing, Christa Wolf, George Bataille, Mircea Eliade, Michel Serres, Michel Foucault, Roland Barthes.
Die genaue Auswahl der Texte erfolgt zu Beginn des Semesters in Absprache mit den Studierenden.
Schließen
14 Termine
Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung
Mi, 20.04.2016 16:00 - 18:00
Mi, 27.04.2016 16:00 - 18:00
Mi, 04.05.2016 16:00 - 18:00
Mi, 11.05.2016 16:00 - 18:00
Mi, 18.05.2016 16:00 - 18:00
Mi, 25.05.2016 16:00 - 18:00
Mi, 01.06.2016 16:00 - 18:00
Mi, 08.06.2016 16:00 - 18:00
Mi, 15.06.2016 16:00 - 18:00
Mi, 22.06.2016 16:00 - 18:00
Mi, 29.06.2016 16:00 - 18:00
Mi, 06.07.2016 16:00 - 18:00
Mi, 13.07.2016 16:00 - 18:00
Mi, 20.07.2016 16:00 - 18:00