17036
S/HS (Seminar/Graduate Seminar)
SoSe 17: Literatur & fait divers (19.-21. Jahrhundert)
Ulrike Schneider
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2016 wurden zwei der renommiertesten Literaturpreise für Werke vergeben, denen auf je eigene Art ein fait divers zugrunde liegt. Und ganz generell lässt sich in der französischsprachigen Literatur seit den 1990er Jahren eine verstärkte Bezugnahme auf dieses journalistische Genre beobachten. Dies stellt freilich kein grundsätzlich neues Phänomen dar: Bereits den Realisten und Naturalisten des 19. Jahrhunderts dienten faits divers nicht nur als Inspirationsquelle, sie setzen sich teils auch mit den formalen Konventionen dieses Genres auseinander. Historisch ist der fait divers an die Entwicklung des Pressewesens in Frankreich gebunden; heute steht er unter dem Zeichen der sich wandelnden Medienlandschaft. Worin aber liegt der Reiz dieser Nachricht von "extraordinary events involving ordinary people" (BOUDANA 2012) für die Literatur? Welche gesellschaftliche Funktion lässt sich dem fait divers zuschreiben, und welche Funktionen kommen der Bezugnahme darauf in der Literatur zu? Äußert sich im Rekurs auf faits divers ein neuerliches Streben nach einem Wirklichkeitsbezug in der Literatur, und kann man diesbezüglich von einem 'kritischen Realismus' sprechen? Diesen und weiteren Fragen will das Seminar nachgehen. Es verfolgt dabei die historische Entwicklung der Beziehung von fait divers & Literatur, legt den Schwerpunkt aber auf die Gegenwart. Im Zentrum der gemeinsamen kritischen Lektüre stehen die Romane L'Adversaire (2000) von Emmanuel Carrère (2000), Fait divers (1994) von François Bon und Chanson douce (2016) von Leïla Slimani (Prix Goncourt 2016).
Einführende Lektüre: BARTHES, Roland, "Structure du fait divers", in: ders., Essais critiques, Paris 1964, S. 188–196; BOUDANA, Sandrine, "The Unbearable Lightness of the Fait Divers: Investigating the Boundaries of a Journalistic Genre", in: Critical Studies in Media Communication 29 (2012), S. 202-219.
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