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SoSe 18: Episches Theater heute

Matthias Warstat

Kommentar

Dokumentartheater, politisches Theater, realistisches Theater – viele einflussreiche Theaterformen der Gegenwart lassen Spuren der Tradition des epischen Theaters erkennen. So kann etwa „Verfremdung“ als ein Schlüsselbegriff für die Beschäftigung mit Ästhetiken des Gegenwartstheaters verstanden werden, gerade wenn man Verfremdung in einem weiten Sinne auffasst, was dann auch Formen der intermedialen, multilingualen und interkulturellen Dissonanz einschließen würde. Überall dort, wo Aufführungen auf Irritation angelegt sind und sich nicht darin erschöpfen, bekannten Erwartungshaltungen des Publikums zu entsprechen, können sie sich auf Positionen des epischen Theaters berufen. Zugleich ist klar, dass viele klassische Begriffe aus dem Theoriekosmos Bertolt Brechts für die Gegenwart neu durchdacht und gefasst werden müssen: Was ist heute etwa ein „Gestus“, was ist „Montage“, worin besteht in postdramatischen Theaterformen die „Fabel“, dürfen wir noch „Typisieren“, und was bedeutet ein Theater der Erkenntnis und des Zweifels in der zeitgenössischen Wissensgesellschaft? Sind all dies brauchbare, sinnvolle Konzepte zum Verständnis des Gegenwartstheaters? Daneben räumt das epische Theater der Attraktion, den Affekten und dem Vergnügen einen besonderen Stellenwert ein, und auch hier wäre zu fragen, wie Ästhetiken und Dramaturgien des Epischen mit aktuellen, etwa postdramatischen Formen theatraler Affektgestaltung korrespondieren. Das Seminar wird beginnen mit der Lektüre und Diskussion von einigen programmatischen Brecht-Texten zum Theater (wie etwa dem „Kleinen Organon für das Theater“ von 1948). In einem zweiten Schritt sollen aktuelle Theaterinszenierungen gemeinsam besucht und auf ihre Arbeit mit Elementen des Epischen befragt werden. Das Seminar hat also auch einen aufführungsanalytischen Schwerpunkt – wobei die aufführungsbezogenen Reflexionen um einige Lektüren neuerer theatertheoretischer und dramaturgischer Positionen ergänzt werden sollen. Schließen