17502

SoSe 18: Zeit der Entscheidungen. Theater und Kultur in Deutschland 1930-33

Matthias Warstat

Comments

Die frühen dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts waren für Deutschland eine Phase des Übergangs von der parlamentarischen Demokratie in die nationalsozialistische Diktatur und zugleich eine Zeit der tiefen wirtschaftlichen Krise. Die Spätjahre der Weimarer Republik waren von heftigen kulturellen und politischen Kämpfen geprägt: rechts gegen links, reich gegen arm, Stadt gegen Land, konservativ gegen progressiv – diverse Konflikte spitzten sich zu und verlangten den Menschen Entscheidungen ab: Das öffentliche Leben sortierte sich in Lager, Akte politischer Gewalt auf offener Straße waren an der Tagesordnung, radikale Haltungen artikulierten sich und drängten zur Festlegung, zu wem man hielt und auf welcher Seite man stand. Die Vorlesung geht der Frage nach, was diese Situation für die Theaterpraxis bedeutete bzw. welchen Anteil das Theaterleben an der Entwicklung hin zur autoritären Gesellschaft und zum nationalsozialistischen Staat genommen hat. Auch die allmähliche Durchsetzung antisemitischer und rassistischer Einstellungen im Theaterdiskurs soll verfolgt werden. Aufgrund der herausragenden Bedeutung des Theaters für die Kultur der Weimarer Republik kann eine Beschäftigung mit dem Theaterleben dieser Zeit zugleich Aufschluss geben über das kulturelle Leben in einem allgemeineren Sinne. Aber auch eine eher ‚theaterinterne‘ Perspektive soll nicht zu kurz kommen, denn die Theaterpraxis der Jahre 1930 bis 1933 kann trotz oder gerade wegen der allumfassenden Krise auch als ein Experimentierfeld für zukunftsweisende Theaterformen der Spätmoderne betrachtet werden: Lehrstück, Zeitstück, episches Theater, Agitprop, Massenspiel, Ausdruckstanz, Bewegungschor, moderne Oper, Operette und Revuetheater sind nur einige Theaterformen, die um 1930 wesentlich (weiter-)entwickelt und erprobt wurden – auch und gerade in der zu dieser Zeit unangefochtenen Theatermetropole Berlin. Die Teilnahme an der Vorlesung ist mit oder ohne intensivere begleitende Lektüre möglich. close