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Seminar
SoSe 19: Psychiatrie zwischen ökonomischem Zwang, Erbbiologie und Sozialpsychiatrie
Gerhard Baader
Kommentar
In diesem Seminar soll die Entwicklung der Psychiatrie vor allem in Deutschland nachgezeichnet werden. Sie reicht von der Aussperrung der „Irren“ in der Vormoderne bis hin zu einem neuartigen Umgang vor allem mit dem armen „Irren“ seit dem 18. Jahrhundert. Dabei wird auf das Spannungsfeld zwischen Psychiatrie und Gesellschaft das Hauptaugenmerk gelegt werden, wie es Klaus Dörner mit seinem Buch „Bürger und Irre“ (1969) exemplarisch getan hat. Neben der Verwissenschaftlichung der Psychiatrie im Rahmen der Neurologie steht bald die Hinwendung zum Patienten und im Rahmen der sozialen Medizin die Ausformung einer sozialen Psychiatrie im Mittelpunkt. Der Übergang zu neuen Formen der Unterbringung in Gestalt von offener Anstaltsfürsorge im Sozialstaat der Weimarer Republik wurde allerdings schon früh konterkariert durch eine eugenisch – rassenhygienisch aufgeladene Entartungsdebatte, in der bereits in der Zeit der Weltwirtschaftskrise die alten ökonomischen Elemente vorherrschend wurden. Am Ende stehen 250.000 ermordete psychisch Kranke und Behinderte im Nationalsozialismus. In diesen Patientenmord war - abgesehen von wenigen namentlich zu benennenden Ausnahmen - die gesamte deutsche Psychiatrie involviert. Im Gegensatz dazu war die Neuordnung der Psychiatrie durch die Psychiatrieenquuete von 1975 in der Bundesrepublik und durch die Rodewischer Thesen von 1963 in der DDR sozialpsychiatrisch orientiert. Ihre Impulse hatte sie allerdings bereits in der Studentenbewegung 1968 erhalten und diese führten im Rahmen des Ersten bürgerschaftlich organisierten Gesundheitstags in Berlin zur Schaffung des wieder von Klaus Dörner ins Leben gerufenen und heute noch bestehenden „Arbeitskreises zur Erforschung der NS-“Euthanasie“ und Zwangssterilisation“, dem ich auch angehöre. Wir mischen uns nicht nur in alle relevantem medizinethischen Debatten ein; auch das Mahnmal für die „Euthanasie“-Opfer im Tiergaren geht nicht zuletzt auf unsere Initiative zurück. Schließen
Literaturhinweise
Klaus Dörner: Bürger und Irre, Frankfurt am Main 1969; Gerhard Baader, Zwischen sozialpsychiatrischen Reformansätzen und Vernichtungsstrategien, in; „Euthanasie“ und Psychiatrie (=Uchtspringer Schriften zur Psychiatrie, Neurologie, Schlafmedizin und Psychoanalyse, hrsg, von Christfried Tögel und Volkmar Lischka Bd, 3), Uchtspringe 2005, S.17-36; ders., Psychiatrie im Nationalsozialismus zwischen ökonomischer Rationalität und Patientenmord, in: Public Health, Eugenik und Rassenhygiene in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus, hrsg. von Gerhard Baader und Jürgen Peter, Frankfurt am Main 2018, S.184-218; Hans –Walter Schmuhl, Die Patientenmorde, in; Vernichten und Heilen. Der Nürnberger Ärzterproze0 und seine Folgen, hrsg. von Angelika Ebbinghaus und Klaus Dörner, Berlin 2001, S.295-328; Klaus Dörner, Diagnosen der Psychiatrie. Über Vermeidungen der Psychiatrie und Medizin, Frankfurt/New York 1975; ders. Und Ursula Plog, Irren ist menschlich. Lehrbuch der Psychiatrie/Psychotherapie, 3. Auffl., Bonn 1989. Schließen
12 Termine
Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung
Mo, 08.04.2019 14:00 - 16:00
Mo, 15.04.2019 14:00 - 16:00
Mo, 29.04.2019 14:00 - 16:00
Mo, 06.05.2019 14:00 - 16:00
Mo, 13.05.2019 14:00 - 16:00
Mo, 20.05.2019 14:00 - 16:00
Mo, 27.05.2019 14:00 - 16:00
Mo, 03.06.2019 14:00 - 16:00
Mo, 17.06.2019 14:00 - 16:00
Mo, 24.06.2019 14:00 - 16:00
Mo, 01.07.2019 14:00 - 16:00
Mo, 08.07.2019 14:00 - 16:00