16417
Proseminar
SoSe 19: Gespräch
Kathrin Wittler
Kommentar
Literatur spricht; und in der Literatur wird allenthalben gesprochen. Die Frage, wer eigentlich wann und wie zu wem spricht und warum, ist allerdings oft alles andere als leicht zu beantworten. In der Lyriktheorie wird über den Status des lyrischen Ichs seit Jahrzehnten heftig gestritten; in der Narratologie versucht man, der Komplexität dieser Frage mit mitunter etwas extraterrestrisch anmutenden Begriffen beizukommen; die Dramentheorie zählt Dialog und Monolog seit je zu ihren schillernden Basisbegriffen. In diesem Seminar nähern wir uns dem literarischen Phänomen ‚Gespräch‘ auf einem Trampelpfad, der zwischen diesen drei großen Forschungsfeldern hindurchführt: Wir werden uns mit Texten befassen, die als imaginäre (Selbst-)Gespräche organisiert sind und in einem gattungsästhetischen Schwebezustand zwischen Lyrik, Epik und Dramatik ihr poetisches, poetologisches und epistemologisches Potential entfalten.
Das literarische Gespräch, mit dem die Gegenwartsliteratur von Kenneth Goldsmith und Marlon James über Clemens Setz bis zu Sibylle Lewitscharoff experimentiert, hat eine lange Formgeschichte. In historischer Perspektive werden wir Platons Symposion, Lukians Toten-, Götter- und Hetärengespräche sowie ein sumerisches Streitgespräch lesen und nachverfolgen, wie diese antiken Modelle in der Neuzeit – u.a. in Harsdörffers „Frauenzimmer Gesprächspielen“ (1644), Fontenelles „Dialogues des morts“ (1683), Shaftesburys „Soliloquy“ (1710), Schlegels „Gespräch über die Poesie“ (1800) und Borchardts „Gespräch über Formen“ (1905) – aufgegriffen werden.
In systematischer Perspektive werden wir Konversations- und Dialogtheorien heranziehen, um die Formprinzipien und Funktionen von Gesprächsliteratur herauszuarbeiten: Wie setzt die Philosophie imaginäre Gespräche als heuristisches Darstellungsmittel ein? Welche ästhetischen und epistemischen Dynamiken ergeben sich durch die Organisation eines Textes als Gespräch? Wie inszenieren literarische Gespräche das Verhältnis der Sprechenden untereinander und das Verhältnis der Sprechenden zu sich selbst? Wie lässt sich die Nähe des Gesprächs und besonders des Selbstgesprächs zum Traum und zur Träumerei erklären? Warum treten in imaginären Gesprächen so häufig Abwesende, Verstorbene und Götter auf? Wie erklären sich die Affinitäten der Gesprächsliteratur einerseits zu ‚großen‘ Themen wie Liebe und Unsterblichkeit, andererseits zum trivialen Klatsch und zur Satire? Wie verhalten sich tiefernste Gipfelgespräche zur leichtfüßigen Salonunterhaltung und welche Stilebenen entsprechen ihnen? Wie verhalten sich mündliche zu schriftlichen Gesprächen? Was unterscheidet einen Monolog von einem Selbstgespräch? Wie finden Gespräche ein Ende?
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Literaturhinweise
Das Gespräch. Hg. von Karlheinz Stierle und Rainer Warning. München 1984;
Wo das philosophische Gespräch ganz in Dichtung übergeht. Platons Symposion und seine Wirkung in der Renaissance, Romantik und Moderne. Hg. von Stefan Matuschek. Heidelberg 2002;
Rudolf Hirzel: Der Dialog. Ein literaturhistorischer Versuch. 2 Bde. Leipzig 1895; Die Kunst des Gesprächs. Texte zur Geschichte der europäischen Konversationstheorie. Hg. von Claudia Schmölders. München 1979. Schließen
12 Termine
Zusätzliche Termine
Fr, 10.05.2019 10:00 - 12:00Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung
Mo, 08.04.2019 16:00 - 18:00
Mo, 15.04.2019 16:00 - 18:00
Mo, 29.04.2019 16:00 - 18:00
Mo, 06.05.2019 16:00 - 18:00
Mo, 13.05.2019 16:00 - 18:00
Mo, 20.05.2019 16:00 - 18:00
Mo, 27.05.2019 16:00 - 18:00
Mo, 03.06.2019 16:00 - 18:00
Mo, 17.06.2019 16:00 - 18:00
Mo, 24.06.2019 16:00 - 18:00
Mo, 01.07.2019 16:00 - 18:00
Mo, 08.07.2019 16:00 - 18:00