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SoSe 19: "Über allen Gipfeln": Ein Gedicht im Gebrauch

Kathrin Wittler

Kommentar

1780 mit Bleistift an die Wand einer Holzhütte auf dem Kickelhahn bei Ilmenau gekritzelt, ist Goethes Gedicht „Wandrers Nachtlied II“ („Ein gleiches“) auf verschlungenen medialen Wegen zu einem der meistzitierten und meistparodierten Texte der Weltliteratur avanciert. Das Gedicht zirkuliert in Vertonungen, Übersetzungen, Nachahmungen, Bilderrätseln, Karikaturen und Verballhornungen, als auswendig gelernter Text und als Ohrwurm. Es kursiert in Werk- und Auswahlausgaben, in Anthologien, touristischen Broschüren und musealen Aufbereitungen. Es hat zahllose Poeten, darunter Brecht, Morgenstern, Jandl und Fried, zu Antworten herausgefordert; es ist von Georges Perec durch eine Hörspiel-Computersimulation gejagt worden; und es ist auch in Kehlmanns Bestsellerroman „Die Vermessung der Welt“ für eine Pointe gut. Anhand der faszinierenden Entstehungs- und Wirkungsgeschichte dieses scheinbar schlichten und zugleich rätselhaften Gedichts werden wir in historisch-systematischer Perspektive der Frage nachgehen, wie sich ein Text (inter)medial materialisiert und wie er sich durch seinen Gebrauch verändert. Dabei werden wir Kategorien wie Erlebnis, Werk, Autor, Gattung, Mündlichkeit/Schriftlichkeit und Symbol problematisieren, uns wissensgeschichtlich mit der Bedeutung der Geologie für Goethe befassen, die Relevanz von Buch-, Musik-, Kunst-, Tourismus- und Übersetzungsgeschichte für das Verständnis von Literatur ausloten und vor diesem Hintergrund unsere Interpretationsmethoden – insbesondere den Unterschied zwischen textimmanenten und kulturwissenschaftlichen Zugangsweisen – reflektieren. Bei Interesse können wir das Seminar mit einer Exkursion nach Ilmenau mit Wanderung zur sogenannten Goethe-Hütte verbinden. Schließen

Literaturhinweise

Wulf Segebrecht: Johann Wolfgang Goethes Gedicht „Über allen Gipfeln ist Ruh“ und seine Folgen. Zum Gebrauchswert klassischer Lyrik. Text, Materialien, Kommentar. München/Wien 1978; Sebastian Kiefer: Über allen Gipfeln. Magie, Material und Gefühl in Goethes Gedicht „Ein gleiches“. Mainz 2011; Anne Holzmüller: Lyrik als Klangkunst. Klanggestaltung in Goethes Nachtliedern und ihren Vertonungen von Reichardt bis Wolf. Freiburg im Breisgau 2015. Schließen

12 Termine

Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung

Mo, 12:00 - 14:00 12 Termine

Mo, 08.04.2019 12:00 - 14:00

Dozenten:
Kathrin Wittler