Die Berufung auf die Erfahrung (lat. experientia) stellt seit der Antike eine Möglichkeit dar, ein Wissen zu autorisieren und zu legitimieren, das kein im strengen Sinne wissenschaftliches Wissen (scientia) ist, sondern eine Form des praktischen Wissens, das aus dem eigenen oder auch anderer Menschen Erleben resultiert. Gerade diese Verankerung im gewöhnlichen, ja alltäglichen Erleben macht den Rekurs auf das Erfahrungswissen besonders attraktiv für Frauen, denen der Zugang zur Wissenschaft lange systematisch verwehrt war. Hiervon zeugen zahlreiche Schriften aus der Feder weiblicher Autoren, die sich immer wieder auf ihre eigene – und nicht zuletzt spezifisch weibliche – Erfahrung berufen, um ihre Positionen und Argumente, aber auch den Umstand, dass sie überhaupt schreiben, zu rechtfertigen. Das Seminar untersucht dies exemplarisch anhand ausgewählter Schriften von Autorinnen aus dem Zeitalter der Aufklärung, u.a. von Madame d’Épinay und Madame du Châtelet. Eine Frage wird hierbei sein, inwiefern sich bei diesen, oft auch naturwissenschaftlich interessierten Literatinnen vor dem Hintergrund des sich in der Frühen Neuzeit ausdifferenzierenden Erfahrungsbegriffs zwei verschiedene Vorstellungen von expérience und Erfahrungswissen kreuzen: einem aus der Alltagserfahrung resultierenden praktischen Wissen einerseits und einem naturwissenschaftlich-experimentellen Beobachtungswissen (observatio) andererseits. Das Seminar führt zudem ein in die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens (Referat, Literaturrecherche, Hausarbeit). Die Auswahl der zu lesenden Texte wird zu Semesterbeginn bekannt gegeben. Studierende anderer Studiengänge sind herzlich willkommen. Es sollten ausreichend Französischkenntnisse für die Lektüre der Primärtexte vorhanden sein. Nähere Informationen hierzu erteilt gerne die Dozentin. Schließen

Literaturhinweise: Sonia Cherrad, Le Discours pédagogique féminin au temps des Lumières, Oxford: Voltaire Foundation, 2015. Adeline Gargam, „Place et engagement des femmes dans la Re´publique des Sciences au sie`cle des Lumie`res. E´tat de la recherche en cours“, in: Huguette Krief u.a. (Hgg.), Femmes des Lumie`res. Recherches en arborescences, Paris: Classiques Garnier, 2018, S. 139-152. Schließen