16670 Vertiefungsseminar

SoSe 20: Heiner Müller und die Antike: Historische Erfahrung und äthetische Form

Sandra Fluhrer

Kommentar

Was haben jahrtausendealte Götter- und Heldenstoffe zu den Erfahrungen des 20. Jahrhun-derts und der Gegenwart beizutragen? Der Dramatiker Heiner Müller (1929-1995) war über-zeugt von der anhaltenden Aktualität der Antike, die ihm weniger Bildungsgut war als form-gewordene Erfahrung der Rolle von Gewalt in Zivilisationsprozessen. Auf die Frage, was ihn so nachhaltig an antiken Mythen fasziniere, antwortet Müller 1985 in einem Interview: „Na, einfach, daß es sehr frühe Formulierungen kollektiver Erfahrungen sind. Schlimmerweise stimmen die immer noch allgemein. Weil – wie heißt das so schön – die condition humaine sich in den letzten Jahrhunderten ganz wenig verändert hat. Die Entwicklung des Menschen als Gegenstand der Anthropologie ist absolut minimal. Deswegen stimmen diese Modelle immer noch.“ (Müller, Gesammelte Irrtümer 1, 149). In Form von Denkmodellen wie als unerschöpfliche Quelle für Metaphern, Versformen und Theatertechniken ist die antike Lite-ratur ein grundlegender Bezugspunkt für Müllers Dichtung. Das Seminar widmet sich Müllers Verhältnis zur Antike vor allem aus wirkungsästhetischer Perspektive. Im Zentrum unseres Seminargesprächs soll die Frage nach der antiken Mytho-logie als Erfahrungsspeicher stehen, der wir anhand detaillierter Lektüren von Mythenbear-beitungen in Müllers Texten und in seinen antiken Quellen nachgehen wollen. Wie lässt sich die Kraft mythologischer Szenen, Bilder und Narrative philologisch beschreiben? In welchen ästhetischen Formen und Darstellungsweisen findet kollektive Erfahrung besonderen Aus-druck? Wie tragen Strategien der Übersetzung und Transformation dazu bei, dem Pathos mythologischer Konstellationen auch unter veränderten historischen Voraussetzungen zur Wirkung zu verhelfen? Welche Form kann etwa das Tragische in der Moderne einnehmen? In welchem Verhältnis stehen Erfahrung und Kritik? Auf dem Programm stehen Müllers dramatische und lyrische Bearbeitungen des Ajax-, Her-akles-, Medea-, Ödipus-, Orpheus-, Philoktet- und Prometheus-Stoffes aus der griechischen Mythologie und des Horatier-Stoffes aus der römischen Geschichtsschreibung, Ausschnitte aus antiken Bezugstexten, poetologische Bemerkungen Müllers zu seinen Antike-Bearbeitungen sowie ausgewählte Forschungstexte zu Literatur und Mythos. Das Seminar wird als Kombination von angeleiteter Selbstarbeit und verschiedenen Formen digitalen Austauschs stattfinden. Die genauen Arbeitsformen werden in der ersten Semes-terwoche über Blackboard kommuniziert. Ob bzw. in welcher Form das geplante Begleitpro-gramm zum Seminar stattfinden kann – ein Gastvortrag von PD Dr. Wolfram Ette, Einblick in den Müller-Nachlass in der Akademie der Künste, ein gemeinsamer Theaterbesuch – ist derzeit leider noch nicht absehbar. Bitte beschaffen Sie sich die bei Suhrkamp erschienene Doppelausgabe des Müllerschen und Sophokleischen „Philoktet“ und lesen Sie beide Dramen zum ersten Seminartermin (ISBN: 978-3-518-22402-1). Literaturhinweise und Links zur Orientierung und Vorbereitung: Wolfram Ette: Einleitung, in: ders.: Kritik der Tragödie. Über dramatische Entschleunigung, Weilerswist: Velbrück 2011, online verfügbar über die Verlagsseite: https://www.velbrueck.de/out/media/978-3-942393-04-1.pdf; Hans-Thies Lehmann und Patrick Primavesi (Hg.): Heiner-Müller-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung, Stuttgart: Metzler 2003 (online verfügbar über Primo); Genia Schulz: Heiner Müller, Stuttgart: Metzler 1980; Heiner Müllers Fernsehgespräche mit Alexander Kluge, Cornell University: https://kluge.library.cornell.edu/conversations/mueller. Schließen

12 Termine

Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung

Fr, 17.04.2020 10:00 - 12:00

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Fr, 10.07.2020 10:00 - 12:00

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Fr, 17.07.2020 10:00 - 12:00

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