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SoSe 20: George Eliots "Middlemarch" und die Theorie des (realistischen) Romans

Wolfgang Hottner

Kommentar

George Eliots Roman Middlemarch. A Study of provincial life erscheint 1871 und ist ein in jeglicher Hinsicht prosaischer Roman, der das Wirken sozialer Kräfte in Szene setzt, die individuelle Abhängigkeit „von äußeren Einwirkungen, Gesetzen, Staatseinrichtungen, bürgerlichen Verhältnissen“, wie es in Hegels Ästhetik heißt. Eliots bekanntestes Werk, kürzlich zum ‚bedeutendsten‘ britischen Roman aller Zeiten gewählt, erzählt vom Leben in der Provinz, von Hoffnungen und bitteren Enttäuschung, von „spiritual grandeur“ und „tragic failure“ in einer von grauer Alltäglichkeit durchdrungenen Welt, wo solch heroisch-idealistischen Kategorien keinen Wert mehr zu haben scheinen. Eliots erzählerischer Anspruch nimmt eine solche Welt aber nicht nur dokumentierend hin, sondern ist zugleich auch ein ethischer, geht es doch in der Darstellung all dieser verschiedenen Schicksale stets auch um die sympathetische Erweiterung des menschlichen Einfühlungsvermögens. Kunst und vor allem Literatur sei dazu da, „to amplify experience and extend our contact with our fellow-men beyond the bounds of our personal lot.“ In Eliots hochgradig komplexen und faszinierenden Versuch, die „inconsistency and formlessness“ des menschlichen Lebens in einen (Fortsetzungs-)Roman zu überführen, stellen sich daher auch grundlegende Fragen nach dem Wesen des realistischen Erzählen im 19. Jahrhundert.

Da Eliots Poetik in großen Teilen mit ihrer Tätigkeit als Übersetzerin zusammenhängt, sollen neben grundlegenden Texten zur Theorie des Realismus und des (Fortsetzungs-)Romans zudem Ausschnitte aus ihrer Übertragung von Ludwig Feuerbachs

Das Wesen des Christentums

diskutiert werden. Im Fokus des Seminars soll die intensive Lektüre des Romans sowie des essayistischen und übersetzerischen Werks Eliots stehen.

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