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SoSe 20: Adalbert Stifter: Witiko

Michael Gamper

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Eine zumindest weitgehende vorgängige Lektüre ist Voraussetzung für die Teilnahme.

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In einem ZEIT-Interview von 2019 sagte Peter Handke über Stifters „Witiko“: „Dann habe ich ihn vor zwei, drei Jahren nochmal gelesen. Ich war hypnotisiert. Ein großartiges, gewaltiges Buch. Es klingt wie das Alte Testament, freilich ohne Gott". Und zu Stifters Absichten mit seinem zweiten Roman: „Vielleicht wollte er noch fantastischer monoton sein als sonst.“ Handkes Äußerungen zeugen von der tiefen und befremdeten Faszination gegenüber einem der wohl am seltensten gelesenen Klassiker der deutschsprachigen Literatur, der sich durch eine eigentümliche sprachliche und stoffliche Sperrigkeit auszeichnet, die Thomas Mann als „Traum-Abenteuer einer Langweiligkeit höchster Art“ verstand. Wohlwollend beschied Hermann Hesse wiederum, „Witiko“ sei ein Buch, „in dem geschildert wird, wie drei Menschen sich auf drei Stühle setzen“. Der Roman beschreibt darüber hinaus die Begründung des Böhmischen Königtums im 12. Jahrhundert, ist dabei aber auch als Kommentar zu den politischen, gesellschaftlichen und ästhetischen Zuständen von Stifters Gegenwart zu verstehen – und begründet eine Textästhetik ganz eigener Prägung. Das Seminar wird Stifters Text in seinen poetologischen Eigenheiten diskutieren, ihn literatur- und gattungsgeschichtlich situieren und in seiner politisch-sozialen Bedeutung erkunden. Themen der Sitzungen werden u.a. sein: Erzählen; Prosa; Reden und Schweigen; Langeweile und Langsamkeit; werkgeschichtlicher Kontext; Stifters Altersstil; Quellen und Vorlagen; Poetik des historischen Romans im Vergleich; Roman als Epos; Führen und Folgen; Krieg und Kampf; Verhandeln und Besprechen; Orte des Sozialen; Familien und Imperien. Exemplarisch soll so aufgezeigt werden, wie sich ein zunächst eher abschreckendes Werk mit verschiedenen literaturwissenschaftlichen Herangehensweisen als Schlüsseltext der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erkennbar wird – und ein Sonderweg des internationalen Realismus sich erschließen lässt, der diesen als spezifisches Kunstwollen neu sichtbar macht. close