17013 Proseminar

SoSe 22: Ehe und Ehebruch in der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts

Paola Traverso

Kommentar

Ehebruch ist seit der Antike eines der großen Themen der Weltliteratur. In der Erzählkunst des französischen Realismus und Naturalismus im 19. Jahrhundert ist er geradezu allgegenwärtig. So schreibt Gustave Flaubert in seinem Jugendwerk Novembre (1842): „Il y eut dès lors pour moi un mot qui sembla beau entre les mots humains : adultère, une douceur exquise plane vaguement sur lui, une magie singulière l’embaume ; toutes les histoires qu’on raconte, tous les livres qu’on lit, tous les gestes qu’on fait le disent … une poésie suprême, mêlée de malédiction et de volupté“ (Von da an gab es für mich ein Wort, das mir unter allen Wörtern schön schien: Ehebruch, eine köstliche Süße schwebt darüber, ein einzigartiger Zauber umwebt es; alle Geschichten, die wir erzählen, alle Bücher, die wir lesen sagen es… die höchste Poesie, vermischt mit Verdammnis und Wollust). Und im Jahre 1881 – einige Zeit vor der Wiedereinführung des Ehescheidungsgesetzes von 1884 – warnte Émile Zola provokatorisch in seinem für den Figaro verfassten Artikel „Le divorce et la littérature“ vor den verheerenden Konsequenzen der Scheidung für die Literatur, die ja aus Ehekonflikten und Ehebruch ihre schönsten Stoffe gewinne: „Donc, je ne m'intéresse nullement à la pratique du divorce, persuadé que chacun doit attendre le bonheur de sa raison, et non des lois existantes. Une seule question me touche, dans le divorce, la question littéraire. Depuis des années, depuis que des maris en larmes nous exposent leurs cas, depuis que des femmes affolées nous montrent leurs bras meurtris, depuis que des conférenciers et des députés touchent les cœurs sensibles en étalant les dossiers de tous les adultères de France, je pense, au coin de mon feu, en romancier égoïste, que ces gens partis en guerre vont singulièrement bouleverser le champ de nos observations. Savez-vous bien que, le jour où le divorce sera rétabli, il y aura un véritable cataclysme dans notre littérature? Personne ne semble avoir songé à cela. Aucun de mes confrères ne s'en est ému. C'est pourtant diablement grave !“ (Ich interessiere mich nicht für die Praxis der Scheidung, überzeugt, dass jeder das Glück aus seiner Vernunft und nicht aus den geltenden Gesetzen erwarten soll. Nur eine Frage berührt mich bei der Scheidung, die literarische Frage. Seit Jahren, seitdem Ehemänner unter Tränen ihre Fälle vor uns offengelegt haben, verstörte Frauen uns ihre verletzten Arme gezeigt haben, Redner und Abgeordnete mit den Akten von Ehebrecherinnen sensible Herzen berührt haben, denke ich, vor meinem Kamin, als selbstsüchtiger Schriftsteller, dass diese Leute, die in den Krieg gezogen sind, das Feld unserer Beobachtungen auf einzigartige Weise erschüttern werden. Wissen Sie, dass es an dem Tag, an dem die Scheidung wieder in Kraft treten wird, eine echte Katastrophe in unserer Literatur geben wird? Daran scheint niemand gedacht zu haben. Keiner scheint daran gedacht zu haben. Es ist aber teuflischer Ernst!“ In Flauberts Meisterwerk Madame Bovary (1857) hat der Ehebruch seine bedeutendste erzählerische Gestalt erfahren: Das Seminar wird sich auf die Analyse des Romans, seiner Figurenkonstellation, der darin dargestellten sozialen Bedingungen der bürgerlichen Ehe fokussieren und nicht zuletzt auf die implizit kritische Hinterfragung der eingeschränkten Rolle der Frau in der Familie und ihrer sozialen und sexuellen Diskriminierung eingehen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte sich dann der Ehebruchroman in verschiedenen Nationalliteraturen als wahrhaft europäisches Genre. Lew N. Tolstois Anna Karenina (1875-77) in Russland, José Maria Eça de Queirós' Der Vetter Basílio (1878) in Portugal, Claríns La Regenta (1884/85) in Spanien, Theodor Fontanes Effi Briest (1894/5) in Deutschland sind nur einige der bekanntesten Beispiele. In Absprache mit den Teilnehmenden werden wir versuchen das Spektrum der Lektüren durch Referatsarbeit zu erweitern und in vergleichenden Analysen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Ehebruchsromane herausarbeiten. Kenntnisse der französischen Sprache sind erwünscht. Interessierte Studierende sind – auch bei geringer Sprachkompetenz – willkommen, vorausgesetzt dass sie bereit sind, auch selbstständig mit Hilfe von Übersetzungen mitzuarbeiten. Die Lektüre vom Madame Bovary sollte am besten vor Beginn des Seminars und spätestens in den ersten zwei Seminarwochen erfolgen. Schließen

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