16916 Seminar

SoSe 22: Die kulturelle Identität der Berliner Republik: Zwischen Selbstvergewisserung und Selbstkritik

Georg Jansen

Kommentar

Thema: Nach dem Ende des Kalten Krieges, der deutschen Wiedervereinigung und dem Umzug der Regierung in die abermalige Hauptstadt Berlin stand und steht die „Berliner Republik“ vor der Aufgabe, auch durch ihre Kulturpolitik Arbeit an der „deutschen kulturellen Identität“ zu leisten. In Berlin finden sich diverse Beispiele für solche kulturpolitischen Aktionen und Initiativen. Zu den aussagekräftigsten gehört wohl der Abriss des Palastes der Republik, des DDR-Baus, der anstelle des von der DDR abgerissenen Stadtschlosses trat. Nun wurde das Schloss neu aufgebaut und in seinen Räumen das Humboldt Forum eröffnet. Als der größte und teuerste Kulturbau der deutschen Geschichte ist es ein besonders aussagekräftiges Beispiel dafür, wie sich die „Berliner Republik“ als „Kulturnation“ sieht und gesehen werden möchte; wie sie sich kulturgeschichtlich positioniert und zugleich inszeniert. So lassen sich an und in diesem Bau historische Realitäten und Artefakte studieren, andererseits zeigt jedoch die Neuinszenierung von Welt- und Kunstgeschichte in (und von) diesem Haus den kulturpolitischen Willen, eine neue kulturelle Identität an die Stelle einer früheren zu setzen, jener, für die der abgerissene DDR-Bau stand. An dieser und an anderen künstlerischen Manifestationen in Berlin soll im Seminar der Wechselbezug zwischen kulturellen Realitäten und ihren geschichtlichen Lesarten, d.h. ihrem jeweiligen Bedeutungs- oder Diskussionsgehalt für eine deutsche kulturelle Identität deutlich gemacht wird. Die Narrative, in denen bedeutende Kunst- oder Bauwerke aufgefasst werden, werden dabei unterschiedlich begründet, so etwa durch historisch aufeinanderfolgende Paradigmen der Wissenschaft, Weltanschauung, Mode, oder durch politische und/oder soziale Verhältnisse. Sie können aber auch, wie im Fall des Humboldt Forum deutlich wird, in hohem Maße kulturpolitisch geleitet werden. Programm: Im Seminar werden wichtige Aspekte des kulturgeschichtlichen Selbstverständnisses Deutschlands an jeweils exemplarischen Werken und Orten in Berlin erarbeitet: - Erinnerungskultur am Beispiel der Wannseekonferenz im Jahr 1942 (Neuverfilmung, literarische Texte, Stolpersteine) - Umgang mit kolonialem Erbe (Humboldt Forum) - Die unbequemen Stimmen der DDR (Brechts Theater und Biermanns Lieder) - politische Kunst im Stadtraum oder Dekorationsmittel der Gentrifizierung? (Street Art) Die hier genannten sowie weitere zentrale Aspekte kultureller Identitätssuche der Deutschen werden in den fortlaufenden Debatten, die in der Literatur, in den anderen Kunstformen sowie in Zeitungsfeuilletons ausgetragen werden, im Seminar diskutiert. Gelesen werden kürzere literarische (z.B.: Treichel: Am Großen Wannsee; Schalansky: Verzeichnis einiger Verluste/ Palast der Republik; politische Lieder von Brecht und Biermann) und philosophische (Benjamin: Berliner Kindheit um neunzehnhundert; Hessel: Texte zur Philosophie des Flaneurs; Zischler: Kulturgeschichtliche Deutungen des Berliner Stadtbilds) Texte. Daneben werden auch feuilletonistische Texte aus der Weimarer Zeit (Ostwald: Berlin. Anfänge einer Großstadt) sowie aus unserer Gegenwart gelesen, aber auch Filme (Berlin. Sinfonie einer Großstadt) und Werke der Bildenden Kunst werden behandelt. An drei Seminarterminen werden wir uns zu Stadtspaziergängen treffen, bei denen wir Fragestellungen des Kurses an bedeutsamen Orten (Humboldt Forum, Literaturforum im Brecht-Haus, Street Art-Orte) nachgehen werden. Die im Seminar zu lesenden Texte sowie ergänzende Informationen und Materialien werden zu Beginn des Semesters im Blackboard bereitgestellt. Studierende, die keinen Zugang zum Campus Management haben, können sich ab 1. April per E-Mail direkt anmelden (georg.jansen@fu-berlin.de). Für wen ist der Kurs geeignet? Sie sollten großes Interesse an Kunst, Literatur sowie ihrer Vermittlung mitbringen. Ohne Ihre Bereitschaft zu regelmäßiger vorbereitender Lektüre (10-15 Seiten pro Woche) ist die Teilnahme an diesem Seminar nicht ratsam. Studien- und Prüfungsleistungen: Um 5 ECTS-Punkte zu erhalten, müssen Studierende jede Sitzung durch Lektüre der Kursmaterialien vorbereiten, im Semester eine Präsentation im Unterricht oder während einer Exkursion halten und die schriftliche Abschlussprüfung (Klausur) bestehen. Schließen

13 Termine

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