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Proseminar
SoSe 22: Literarische Zeugnisse einer doppelten Kolonisierung: Gegenwärtige Stimmen aus Québec
Marie Jacquier
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Die Geschichte Kanadas ist durch eine doppelte Kolonisierung geprägt: Stand die „Nouvelle France“ zunächst unter französischer Herrschaft, mussten im 19. Jhdt. jedoch Gebiete an Großbritannien abtreten werden. Québec, die größte Provinz Kanadas mit dem größten frankophonen Bevölkerungsanteil hat seitdem einen Sonderstatus. Die anglophone Dominanz und wirtschaftliche Benachteiligung Québecs führte immer wieder zu Abgrenzungsbestrebungen, die schließlich in den Reformen der „Révolution tranquille“ 1960 ihren Niederschlag fand. Die Literatur hat die Suche nach einem eigenen Selbstverständnis stets nicht nur begleitet und reflektiert, sondern sogar erst hervorgebracht: Als Gründungsmythos des modernen Québec gilt heute das Manifest „Refus global“ (1948) von Paul-Emile Borduas. In den permanenten sprach- und kulturpolitischen Diskussionen der seit 2006 als „Nation innerhalb eines geeinten Kanadas“ anerkannten Provinz gingen jedoch die Stimmen der autochtonen Bevölkerung völlig unter. Die den „Premières Nations“ zugehörigen Stämme wurden im 19. Jahrhundert systematisch enteignet, in Reservate zwangsumgesiedelt, Kinder von ihren Familien getrennt und in Internate gezwungen. Wo sich das Französische gegenüber dem Englischen gezielt durch sprachpolitische Maßnahmen behaupten sollte, wurde es den indigenen Völkern gegenüber als Assimilationsstrategie angewandt, das Sprechen der Muttersprachen und autochtonen Dialekte wurde unter Strafe gestellt. Erst vor wenigen Jahren ist das Ausmaß der Brutalität der Maßnahmen deutlich und als „kultureller Genozid“ anerkannt worden. Seitdem wird die durch mündliche Traditionen geprägte autochtone Literatur überhaupt erst wahrgenommen und verlegt, oftmals zweisprachig, wie etwa der neu herausgegebene Essay von An Antane Kapesh „Eukuan nin matshi-manitu innushkueu / Je suis une maudite Sauvagesse“ Das Seminar nimmt sich vor, gattungsübergreifend exemplarisch Texte zu analysieren, die sich mit Fragen der Zugehörigkeit und hybriden Identitäten auseinandersetzen, die Québec und Kanada insgesamt auch als ein Einwanderungsland kennzeichnen. Darunter finden sich Autor*innen wie Jacques Brault und Josephine Bacon (Lyrik), Jacques Godbout, Michel Jean, Naomi Fontaine, Dany Lafferière (Roman), Michel Tremblay oder Evelyne de la Chenelière (Drama). close
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