16210 Hauptseminar

WiSe 12/13: Blockseminar: Tragik bei Homer und Vergil

Kircher, Nils

Kommentar

Lange Zeit war es vornehmlich in der deutschen Homer-Philologie verpönt, die Homerischen Epen mit dem Begriff des Tragischen in Verbindung zu bringen. Ja, gar als verbotene Kategorie hat man das Tragische bisweilen aus der Homerforschung ausgeschlossen. So spricht zum Beispiel der bedeutende Gräzist Albin Lesky im Jahre 1962 von der "Achilleus-Tragödie der Ilias" und setzt sofort in Klammern hinzu: "(wir wissen, daß wir einen verbotenen Ausdruck gebrauchen)." Dem gegenüber sind uns aus der Antike viele Zeugnisse überliefert, die einen deutlichen Bezug zwischen Epos und Tragödie im allgemeinen sowie zwischen Homer und den großen Tragikern im besonderen herstellen und deren innere Verwandtschaft betonen. Neben vielen Einzelzeugnissen, die sich zum Beleg dieses Satzes anführen lassen, ist hier zu allererst Aristoteles zu nennen, der sehr weitreichende Gemeinsamkeiten zwischen Epos und Tragödie in ihren wesentlichen, vor allem inhaltlich relevanten Aspekten ausmacht. Indem wir uns einen Überblick über die Forschungsgeschichte zu dieser Problematik und über die Aristotelische Epostheorie verschaffen, wollen wir in unserem Seminar zunächst den Gründen nachgehen, die dazu geführt haben, daß sich die ältere Homerforschung, die in ihrer Wirkung zum Teil bis in die Gegenwart hineinreicht, und viele antike Zeugnisse in der Beurteilung des Verhältnisses von Epos und Tragödie konträr gegenüberstehen. Darauf wollen wir in intensiver Beschäftigung mit dem Text insbesondere der Ilias prüfen, ob und inwiefern das Handeln der Protagonisten mit dem Begriff des Tragischen adäquat beschrieben werden kann. Anders als in der Homer-Forschung scheute man sich in der Vergil-Philologie zu keiner Zeit, den Begriff des Tragischen zu verwenden. Ganz im Gegenteil: Man hat immer wieder die tief empfundene Tragik des Vergilischen Gedichts zum Ausdruck und seine tragische Grundstimmung, seine tragische Atmosphäre zum Klingen gebracht. Für den großen Aeneis-Forscher Viktor Pöschl etwa, um hier nur ein prominentes Beispiel zu nennen, ist die Tragik eines der Grundcharakteristika der Aeneis. So deutet er nahezu alle Figuren der Aeneis tragisch, die Hauptpersonen Aeneas, Dido und Turnus ebenso wie kleinere Gestalten, etwa Nisus und Euryalus, Pallas, Lausus und Mezentius. Auch diese ganz anders geartete Forschungslage wollen wir uns vergegenwärtigen, um uns dann auf diesem Fundament und im Vergleich mit dem bei Homer Erkannten anhand der Interpretation einzelner Handlungsstränge der spezfisch Vergilischen Form des Tragischen anzunähern. Gerade der kontrastierende Ansatz ist dazu geeignet, beide ‚Konzeptionen des Tragischen' in ihrem spezifischen Wesen deutlicher hervortreten zu lassen. Sobald die Anzahl der Teilnehmer feststeht, werde ich einen Seminar- und Referatsplan erstellen. Textausgaben: Homeri opera, rec. D.B. Monro et T.W. Allen, Tomus I et II, Oxford 81954 u.ö.; P. Vergili Maronis opera, rec. R.A.B. Mynors, Oxford 1969 u.ö. Es kann aber auch jede andere vollständige textkritische Ilias- und Aeneis-Ausgabe verwendet werden. Kommentare: Ameis, Karl Friedrich; Henze, Karl; Cauer, Paul: Homers Ilias, Für den Schulgebrauch erklärt (Leipzig 1894-1913), Amsterdam 1965; Kirk, Geoffrey S.: The Iliad: A Commentary, hrsg. von G.S. Kirk, Cambridge 1985-1993 (verschiedene Einzelhrsg. Der Teilbände); Latacz, Joachim: Homers Ilias. Gesamtkommentar, München/Leipzig 2000ff. (Bd. I-IV, VI, VIII). Williams, Robert D.: The Aeneid of Virgil, Books I-VI and VII-XII (2 Bände), ed. with introduction and notes by R.D. Williams, 1972/3. Dazu zahlreiche Spezialkommentare zu einzelnen Büchern. Vorbereitung: Um im Seminar sinnvoll arbeiten zu können, sollte jeder Teilnehmer die Ilias und die Aeneis zumindest in Übersetzung (Ilias-Übersetzung von Schadewaldt; Aeneis-Übersetzung z.B. von Binder/Binder oder auch eine andere Übersetzung Ihrer Wahl) bereits gründlich gelesen haben. Erste Literaturhinweise: Zu Homer: Zur allgemeinen Einführung: Joachim Latacz, Homer. Der erste Dichter des Abendlandes, München-Zürich, 31997; Hermann Gundert, Charakter und Schicksal homerischer Helden, Neue Jahrbücher für Antike und deutsche Bildung 3, 1940, 225-237; Chr. B. Pelling (Hg.), Characterization and Individuality in Greek Literature, Oxford 1990; Arbogast Schmitt, Selbständigkeit und Abhängigkeit menschlichen Handelns bei Homer. Hermeneutische Untersuchungen zur Psychologie Homers, Abh. Akad. Mainz 5/1990, Stuttgart 1990; Bruno Snell, Die Entdeckung des Geistes, Hamburg 1946 (Göttingen, 31975). Zu Vergil: Zur Einführung in wichtige Forschungsbereiche und -probleme der Aeneis: Werner SUERBAUM: Vergils Aeneis. Epos zwischen Geschichte und Gegenwart, Stuttgart 1999. Klassiker der Forschung: Richard HEINZE, Virgils epische Technik, 3. Auflage Leipzig/Berlin 1928; Viktor PÖSCHL, Die Dichtkunst Virgils. Bild und Symbol in der Äneis. 3. Auflage Berlin /New York 1977. Eine sehr gute Synthese der modernen Aeneis-Forschung bietet Gyburg Radke: Symbolische Aeneis-Interpretationen. Differenzen und Gemeinsamkeiten in der modernen Vergilforschung, Antike und Abendland 49 (2003), 90-112. Zum Problem des Tragischen in der Aeneis: Antonie Wlosok: Vergils Didotragödie. Ein Beitrag zum Problem des Tragischen in der Aeneis, in dies., Res humanae - res divinae. Kleine Schriften, hrsg. v. Eberhard Heck und Ernst A. Schmidt, Heidelberg 1990, 320-343. Weitere Literatur folgt mit dem Seminarplan und im Kontakt mit den einzelnen Referenten. Schließen

Zusätzliche Termine

Sa, 12.01.2013 09:00 - 18:00

Dozenten:
Dr. Nils Kircher

Räume:
J 30/109 (Habelschwerdter Allee 45)

So, 13.01.2013 09:00 - 18:00

Dozenten:
Dr. Nils Kircher

Räume:
J 30/109 (Habelschwerdter Allee 45)

Sa, 26.01.2013 09:00 - 18:00

Dozenten:
Dr. Nils Kircher

Räume:
J 30/109 (Habelschwerdter Allee 45)

So, 27.01.2013 09:00 - 18:00

Dozenten:
Dr. Nils Kircher

Räume:
J 30/109 (Habelschwerdter Allee 45)

Studienfächer A-Z