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WiSe 12/13: Höllenfahrten: Der Abstieg in die Unterwelt in der lat. Literatur der Spätantike und des Mittelalters

Bernd Roling

Kommentar

Abstiege in die Unterwelt und Höllenversammlungen kennt die antike Dichtung in fast topischer Gestalt, erinnert sei nur an das sechste Buch der "Aeneis", das Totenorakel der Erictho aus Lucans "Pharsalia" oder das Dämonenkonzil, mit dem Claudian in seiner Invektive gegen Rufin aufwarten kann. Auch dem mittelalterlichen Menschen begegnete das Jenseits nicht allein in Gestalt einer normativen Größe, sondern als raumzeitliche Wirklichkeit, die mit Gewalt in sein eigenes Leben dringen konnte. Die ausgreifende Gattung der Visionsliteratur, die seit der christlichen Spätantike als unmittelbarer Erlebnisbericht oder rein literarisches Zeugnis die lateinische Überlieferung durchzieht, versucht diese Erfahrungen und Vorstellungen in Worte zu fassen und weiterzugeben. Zahlreiche bildkräftige Jenseitsvisionen wie die 1149 verfaßte "Visio Tundali", das "Purgatorium Patricii" oder die 1190 aufgezeichnete Vision des Bauern Gottschalk verarbeiten nicht nurzahlreiche autochthone und auch apokryphe Jenseitsvorstellungen, sondern auch antike Unterweltsszenarien. Vergleichbare Texte werden in beinahe jede mittelalterliche Volkssprache übertragen und können in der späteren Literatur und bildenden Kunst eine reiche Wirkung entfalten. Es soll anhand paradigmatischer Texte in diese bis weit in die Moderne reichende Gattung eingeführt werden. Einführende Literatur: Peter Dinzelbacher (Hg.), Mittelalterliche Visionsliteratur. Eine Anthologie, Darmstadt 1989; Peter Dinzelbacher, Vision und Visionslitteratur im Mittelalter, Stuttgart 1981; Hedwig Röckelein, Otloh, Gottschalk, Tnudgal. Individuelle und kollektive Visionsmuster des Hochmittelalters, Frankfurt 1987; Wendy Love Anderson, The discernment of spirits: assessing visions and visionaries in the late Middle Ages, Tübingen 2011. Schließen