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Seminar
WiSe 12/13: Literatur und sprachliche Gewalt
Jenny Willner
Kommentar
Während des Nationalsozialismus wurde Victor Klemperer, Professor für Sprach- und Literaturwissenschaft, als Jude verfolgt. Er entkam der täglichen Gefahr der Verhaftung und Deportation, überlebte die Zwangsarbeit in der Fabrik, die Flucht und die Bombennächte und studierte dabei unablässig die Sprache der Henker und ihrer Opfer. In LTI. Notizbuch eines Philologen dient seine Sprachanalyse nicht nur der Analyse linguistischer Phänomene, sondern zugleich als Mittel zum Zweck der Distanzierung im Zustand akuter Gefahr: "[S]ehr bald verdichtete sich dann dieser Anruf, mich über die Situation zu stellen und die innere Freiheit zu bewahren, zu der immer wirksamen Geheimformel: LTI! LTI!" - Lingua Tertii Imperii.
Die Erzählperspektive jener, die die eigene Sprache als Sprache der Verfolger erleben mussten, ist mit philosophischen wie poetologischen Fragen verbunden, die wir im Verlauf des Seminars anhand von literarischen, essayistischen und theoretischen Texten diskutieren werden. Einerseits ist zu beobachten, wie die Sprache immer wieder als Gegenstand schmerzhafter Erfahrung beschrieben wird, andererseits stellt sich die Frage nach ihrer Rolle bei der Verarbeitung des individuellen wie kollektiven und transgenerationalen Traumas. Wie wurde die Gewalt des nationalsozialistischen Idioms im Exil sowie aus der Nachkriegsperspektive geschildert, und wie verhalten sich diese Darstellungen zu aktuellen Theorien sprachlicher Gewalt? Im Jahre 1959 löste George Steiner heftige Proteste unter deutschen Literaten aus, als er erklärte, dass die deutsche Sprache sich nie wieder vom Nationalsozialismus erholen werde: "Use a language to conceive, organize and justify Belsen; use it to make out specifications for gas ovens; use it to dehumanize man during twelve years of calculated bestiality. Something will happen to it. Something of the lies and sadism will settle in the marrow of language."
Zur Vorbereitung können Sie sich mit folgenden Autorinnen und Autoren vertraut machen: Victor Klemperer, Elias Canetti, Paul Celan, George Steiner, Peter Weiss, Primo Levi, W. G. Sebald, Judith Butler, Jacques Derrida, Sarah Kofman, Georges-Arthur Goldschmidt, Ruth Klüger, Thomas Bernhard, Jonathan Littell.
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16 Termine
Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung
Di, 16.10.2012 08:30 - 10:00
Di, 23.10.2012 08:30 - 10:00
Di, 30.10.2012 08:30 - 10:00
Di, 06.11.2012 08:30 - 10:00
Di, 13.11.2012 08:30 - 10:00
Di, 20.11.2012 08:30 - 10:00
Di, 27.11.2012 08:30 - 10:00
Di, 04.12.2012 08:30 - 10:00
Di, 11.12.2012 08:30 - 10:00
Di, 18.12.2012 08:30 - 10:00
Di, 08.01.2013 08:30 - 10:00
Di, 15.01.2013 08:30 - 10:00
Di, 22.01.2013 08:30 - 10:00
Di, 29.01.2013 08:30 - 10:00
Di, 05.02.2013 08:30 - 10:00
Di, 12.02.2013 08:30 - 10:00