16406
Proseminar
WiSe 12/13: Muße, Faulheit u. Müßiggang in der Lit.
Mirko Gemmel
Kommentar
Müßiggang und Faulheit werden vor allem in der Neuzeit mit Unproduktivität gleichgesetzt und gesellschaftlich wie moralisch unter Bann gestellt; industrielle Revolution und bürgerlicher Geist sehen in ihnen nur eine Gefahr für den Fortschritt und das allgemeine Glück. Die gewinnbringende Aktivität und mit ihr die produktive Arbeit beginnen dagegen ihren Siegeszug in einer von Geld bestimmten Welt und werden zur herrschenden Ideologie, in der kein Platz ist für kontemplatives Leben. Obwohl schon der Theologe Thomas von Aquin vor acht Jahrhunderten die übertriebene Arbeitslust für eine Folge ungewöhnlicher Trägheit hielt, nämlich der Trägheit des Herzens, den im Menschen angelegten göttlichen Gedanken zu entwickeln.
Wie es eine Tradition innerhalb der Literatur und der gesamten Geistesgeschichte gibt, in der die Notwendigkeit der harten Arbeit als menschliche Tugend betont wird, existiert daneben eine viel ältere Tradition quer durch alle Literaturgattungen, in der dem Müßiggang und der Faulheit gehuldigt wird.
"Arbeit ist des Bürgers Zierde", heißt es zwar in Schillers Gedicht Lied von der Glocke und doch ging es Schiller um die Freiheit des Menschen, der jede Art (fremdbestimmter) Beschränkung seines Daseins überwindet. Der Bürger sollte Mensch werden, eine freie Persönlichkeit, die sich am Ideal des Humanismus orientiert. Doch die industrielle Revolution ersetzte den Menschen durch den Arbeiter und nötigte ihn zur Stetigkeit, Monotonie und Routine. Bei Schiller wird Ruhe und Schönheit zum Ausdruck idealer Humanität, die der freie Mensch nur abseits entfremdeter Arbeit (ein Begriff, den Marx von Hegel adaptierte) finden kann. Erst in der Muße kann der Mensch im Augenblick jenes Bleibende entdecken, das sich in aller Zeit als Ideal verewigt.
Seit der Antike bedeutete Müßiggang Freiheit, eine Freiheit, die die griechischen Philosophen im Sinn hatten, als sie jede Form der körperlichen Arbeit ablehnten, um frei zu sein für ein selbst bestimmtes, kontemplatives Leben, das sich zum Ziel die Vervollkommnung des eigenen verantwortungsbewussten Selbst, des wahren Mensch-Seins im Sinne einer aufgeklärten und humanistischen Philosophie setzte. Und bedeutete mehr noch Glück und Lebenslust.
Das Seminar will dieser Tradition an ausgesuchten Beispielen, die bis heute in den verschiedensten Literaturgattungen und Figuren (wie Oblomow bei Iwan Gontscharow) lebendig geblieben ist, nachforschen und untersuchen, welche Idee eines glücklichen Lebens sich hinter dem jeweiligen Konzept von Müßiggang und Faulheit verbirgt und ob sich daraus ein utopischer Gegenentwurf zur gesellschaftlichen Realität ablesen lässt.
Vorgesehen sind u.a. Texte von:
Friedrich Schiller, Georg Büchner, Friedrich Schlegel, Joseph von Eichendorff, Iwan Gontscharow, Paul Lafargue, Bertrand Russel, Heinrich Böll, Yusuf Atilgan und Thoma Mann
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16 Termine
Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung
Di, 16.10.2012 16:00 - 18:00
Di, 23.10.2012 16:00 - 18:00
Di, 30.10.2012 16:00 - 18:00
Di, 06.11.2012 16:00 - 18:00
Di, 13.11.2012 16:00 - 18:00
Di, 20.11.2012 16:00 - 18:00
Di, 27.11.2012 16:00 - 18:00
Di, 04.12.2012 16:00 - 18:00
Di, 11.12.2012 16:00 - 18:00
Di, 18.12.2012 16:00 - 18:00
Di, 08.01.2013 16:00 - 18:00
Di, 15.01.2013 16:00 - 18:00
Di, 22.01.2013 16:00 - 18:00
Di, 29.01.2013 16:00 - 18:00
Di, 05.02.2013 16:00 - 18:00
Di, 12.02.2013 16:00 - 18:00