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WiSe 13/14: Poetik und Naturgesetz

Björn Quiring

Kommentar

Ein alter Topos der Poetik besagt, dass die Dichtung die Natur nachahme. Es wird allerdings schon lange kontrovers diskutiert, wie dieser Satz eigentlich zu verstehen ist; viele Parteien gehen davon aus, dass nicht einfach die Abschilderung der (wie auch immer gefassten) Naturdinge gemeint sei: Der Dichter soll nicht "nach der Natur", sondern "wie die Natur" schaffen, d. h. die Naturprozesse in ihrem umfassenden Wirken imitieren. Dies erscheint um so schwieriger, als ein anderer Gemeinplatz zum Thema betont, dass die Natur und ihre Ordnungen sich der Begrifflichkeit entziehen und aus einer zugleich drohenden und verheißungsvollen Latenz wirken. Das Leben der Natur kann insofern sprachlich nur indirekt erschlossen werden, und es wird dabei wahlweise als regellos und anarchisch, als streng gesetzmäßig oder selbst als souverän normensetzend gefasst. In jedem Fall fungiert das dichterische Werk, das das verborgene Wirken der Natur sinnfällig macht, als Verkörperung entweder eines Gesetzesvollzugs oder von dessen Aufhebung. Dichtung wird insofern mit Hilfe der Metapher eines erhabenen Gerichtshofs der Natur gefaßt, in dem Recht entweder ins Werk gesetzt oder suspendiert wird, der aber in jedem Fall poetische Urteilssätze produziert. Dieser Metapher und ihrer Problematik soll im Seminar durch verschiedene Epochen der Literaturgeschichte hindurch nachgegangen werden. Dabei wird auch die Frage zu behandeln sein, welche Beziehungen Dichtung und Poetik im Laufe ihrer Geschichte mit der Entwicklung des Natur- und Rechtsbegriffs in politischen, juridischen und philosophischen Diskursen eingegangen sind. Schließen