14806
Practice seminar
WiSe 13/14: EMANZIPATION: Theorien der (Selbst-)Befreiung
Johannes Heinrich Stauffacher
Additional information / Pre-requisites
BA: M4 E
MA: M3 MÜ
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Der Begriff ›Emanzipation‹, der im römischen Recht für die Entlassung von Söhnen aus der väterlichen Gewalt bzw. die Freilassung von Sklaven und somit für einen von den Betroffenen passiv erfahrenen Vorgang stand, hat sich in der europäischen Aufklärung im Zeichen des »Ausgangs des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit« (Kant) zu einem reflexiven und aktiven Begriff gewandelt, der als Bezeichnung für die Selbstbefreiung sozialer Gruppen, Klassen und Völker oder sogar im Sinne einer die »politische Emanzipation« übersteigenden allgemeinen »menschlichen Emanzipation« (Marx) oder »Emanzipation der ganzen Welt« (Heine) zu einer zentralen Kategorie modernen politischen Denkens geworden ist, die bis heute für eine Vielzahl gesellschaftlicher Diskurse prägend ist und insbesondere in Debatten über linke Politik und über die Gleichstellung der Geschlechter als Schlagwort weiterhin polarisiert. Er verweist – nicht zuletzt aufgrund seiner engen Verknüpftheit mit dem Gedanken einer als »menschliche Selbstbehauptung« gegen den »theologischen Absolutismus« (Blumenberg) verstandenen Säkularisierung – weit über die Grenzen partikularer Diskurse über die Emanzipation der Juden, der Sklaven, der Frauen, der Proletarier, der kolonisierten Völker, etc. hinaus auf eine grundlegende Denkfigur der Moderne, ist aber gerade deshalb im Zeichen der Rede von der »Dialektik der Aufklärung« (Horkheimer/Adorno), vom »Niedergang der großen Erzählungen« (Lyotard) und vom »Tod des Subjekts« (Foucault) in den Verdacht geraten, kontraproduktiv, wenn nicht selbstwidersprüchlich zu sein, da sich das Subjekt der Emanzipation »als genau durch dasjenige politische System diskursiv konstituiert erweist, das seine Emanzipation ermöglichen soll« (Judith Butler).
Im Zentrum dieser Lehrveranstaltung soll deshalb nicht nur die Frage nach den historischen Dimensionen des Begriffs ›Emanzipation‹, nach seinen religiösen, theologischen, geschichtsphilosophischen, soziologischen, ethischen, psychologischen und politischen Implikationen stehen, sondern – anhand der Lektüre von Texten von der Aufklärung bis zur Gegenwart – auch gefragt werden, ob die Rede von ›Emanzipation‹ noch zeitgemäß ist, bzw. ob und inwiefern die Rede von »emancipatory research« bzw. »emancipatory methodology«, wie sie seit kurzem in den Sozialwissenschaften und insbesondere im Bereich der »disability studies« geführt wird, auch für die Geisteswissenschaften produktiv sein kann.
Zur einführenden Lektüre empfohlen: Art. „Emanzipation“, in: Handbuch der Politischen Philosophie und Sozialphilosophie, hrsg. v. Stefan Gosepath u.a., Berlin/New York 2008, Bd.1, 264-268.
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