16718

WiSe 14/15: Das Judentum und deutsches Erbe - der Fall Borchardt

Peter Sprengel

Kommentar

Rudolf Borchardt (1877-1945) ist eine der umstrittensten Gestalten der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. Als Lyriker anfangs von Stefan George beeinflusst, von dem er sich gleichwohl schärfstens abgrenzte, suchte Borchardt einen eigenen ästhetischen und politischen Weg in der Erneuerung oder künstlichen Stiftung verlorener Traditionen. Das drückt sich nicht nur in seiner Dante-Übersetzung oder seinen epischen Dichtungen im Stile des Mittelalters aus, sondern vor allem in zahlreichen Reden, mit denen Borchardt seit dem Ersten Weltkrieg für eine Neubewertung der kulturellen Vergangenheit eintrat. Dabei machte ihm zunehmend der Vorwurf zu schaffen, dass er seine eigene jüdische Herkunft und das damit verbundene "Erbe" radikal verleugnete. Das Seminar rekonstruiert diese Debatten anhand ausgewählter Texte und verfolgt die dramatische Zuspitzung, die sich für den in Italien lebenden Schriftsteller durch die NS-Politik und die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs ergaben. Ein Schwerpunkt wird auf der Erörterung aktueller Theorien zum Begriff von "Erbe" und "Erbschaft" liegen. Für schwer zugängliche Texte wird ein Blackboard eingerichtet. Zur Einstimmung/Vorbereitung empfohlen: Rudolf Borchardt: Rudolf Borchardts Leben von ihm selbst erzählt. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2002 (€ 11,99) Rudolf Borchardt: Das Gespräch über Formen und Platons Lysis deutsch. Mit einem Essay von Botho Strauß. Stuttgart: Klett-Cotta 1987 (€ 10,-) Rudolf Borchardt: Anabasis. Aufzeichnungen - Dokumente - Erinnerungen 1943-1945. München: Rudolf-Borchardt-Gesellschaft 2003 (€ 15,-) Rudolf Borchardt / Martin Buber: Briefe, Dokumente, Gespräche 1907 - 1964. Hrsg. v. Gerhard Schuster. München: Rudolf-Borchardt-Gesellschaft 1991 Stefan Willer (Hrsg.): Erbe. Übertragungskonzepte zwischen Natur und Kultur. Berlin: Suhrkamp 2013 (€ 15,-) Stefan Willer: Erbfälle. Theorie und Praxis kultureller Übertragung in der Moderne. Paderborn: Fink 2014 Schließen