16320 Vorlesung

WiSe 15/16: Von der Schule von Chartres bis zum Einbruch der arabischen Wissenschaften: Philosophie im 12. Jahrhundert

Bernd Roling

Kommentar

Mit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts traten in der Philosophie- und Theologiegeschichte jene Konflikte offen zutage, die sich in den Dekaden davor schon angekündigt und langsam verschärft hatten. Die ersten neuen Werke des Aristoteles drangen durch die Vermittlung der Araber in den Westen und Europa wurde mit medizinischen, alchemischen und physikalischen Theorien konfrontiert, die das alte Wissen weit hinter sich ließen. Welchen Rang konnte die Offenbarung noch einnehmen, wenn die ratio solche Erfolge für sich verbuchen konnte? Logik und Sprachphilosophie, die zuvor nur im Trivium ein Exil gefunden hatten, waren auf einmal zu Leitdisziplinen geworden und griffen auf die Theologie über; zugleich mussten sie die Trinitäts- oder Zweinaturenlehre dubios erscheinen lassen. Der platonische 'Timaios' half, die Schöpfungslehre neu zu formulieren, zugleich stellte er sie in ihrer bisherigen Gestalt jedoch in Frage. Was sich auf diese Weise in der Gestalt des berühmten Abaelard angekündigt hatte, fand in der Schule von Chartres ihre Fortsetzung. In großen, oft poetischen Entwürfen und ausgestattet mit dem gesamten naturwissenschaftlichen Wissen ihrer Zeit kommentierten Thierry von Chartres oder Wilhelm von Conches die Schöpfunggeschichte, deuteten sie jedoch vor dem Hintergrund ihres platonischen Weltbildes. Dass diese Verwissenschaftlichung der Theologie Kritiker wie den Heiligen Bernhard auf den Plan rufen musste, liegt auf der Hand. Die Vorlesung möchte die faszinierenden Gelehrten der Mitte des 12. Jahrhunderts und ihre bis weit ins Spätmittelalter wirksamen Debatten vorstellen. Schließen

Literaturhinweise

Literatur: Peter Dronke, A history of twelfth-century Western philosophy, Cambridge 1998; Kurt Flasch, Das philosophische Denken im Mittelalter, von Augustin bis Machiavelli, Stuttgart 2002; Theo Kobusch, Geschichte der Philosophie. Die Philosophie des Hoch- und Spätmittelalters, München 2011. Schließen

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