WiSe 15/16: Erzählen, Erfahrung und Form: Walter Benjamins 'Erzähleraufsatz' im Dialog mit 'den Russen'
Brigitte Obermayr
Kommentar
In Walter Benjamins berühmtem 'Erzähleraufsatz' (1937) ist Nikolaj Leskovs (1831-1895) (archaische) Erzähltechnik beispielgebend für eine Erzählkunst und Erzählform, die auch im Gegensatz zum Roman zu betrachten sei. Jener Erzähler, von dem Benjamin sagt, dass es ihn nicht mehr gebe, müsse, so Benjamin, die Zusammenhänge nicht erklären, die erzählte Welt und deren Zusammenhänge gründen auf menschliche Erfahrung. Vor Benjamin bezog der russische Formalist Boris Ejchenbaum sich 1925 in seinem Aufsatz "Leskov und die moderne Prosa" ("Leskov i sovremennaja proza") auf Leskov und sprach sich für eine Tradition mündlichen Erzählens aus. In der Lehrveranstaltung werden die Aufsätze Benjamins und Leskovs gelesen und verglichen. Im nächsten Schritt werden wir - in Auszügen, versteht sich - die literarischen Beispiele heranziehen, auf die sich die beiden Autoren beziehen (Leskov; Remizov, Zamjatin, Gor'kij, Zoscenko, Leonov, Babel' etc.) und dabei immer wieder auf die beiden Aufsätze und unsere vergleichenden Überlegungen dazu zurückgreifen. ‚Als Nebeneffekt' der Lehrveranstaltung, in der Benjamins kanonischer Text aus slawistischer Sicht perspektiviert wird, werden also auch Episoden des 19. und beginnenden 20.Jahrhunderts aus der russischen Literaturgeschichte vermittelt.
Lektüreempfehlungen: Leskov, Nikolaj: "Die Geschichte von dem stählernen Floh." In: Ders.: Die Geschichte von dem stählernen Floh. Das Tier. Stuttgart 1977, S. 3-56.
Ejchenbaum, Boris: "Leskov und die moderne Prosa", in: Texte der russischen Formalisten. Band I. München 1969, S. 208-243.
Benjamin, Walter: "Der Erzähler. Betrachtungen zum Werk Nikolai Lesskows." In: Ders.: Gesammelte Schriften. II/2. Frankfurt am Main 1991, S. 438-465.
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Zusätzliche Termine
Mo, 12.10.2015 14:00 - 16:00 Mo, 19.10.2015 14:00 - 16:00Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung