WiSe 15/16: Narrenschiff und Bateau ivre: Schiffsheterotopien von Sebastian Brant bis Marguerite Duras
Caroline Torra-Mattenklott
Kommentar
Als'Heterotopien' hat Michel Foucault Räume bezeichnet, die sich im Abseits des kulturellen Raums befinden und ihm entgegengesetzt sind, 'andere' Räume also, die sich aber im Gegensatz zu den Utopien in der Realität lokalisieren lassen und bestimmte gesellschaftliche Funktionen erfüllen. Die Heterotopie par excellence ist nach Foucault das Schiff, "ein schaukelndes Stück Raum, ein Ort ohne Ort [---], in sich geschlossen und zugleich der Unendlichkeit des Meeres ausgeliefert". Von Foucaults Anregungen ausgehend, werden wir uns im Seminar mit literarischen Schiffsheterotopien sowie ihren künstlerischen, musikalischen und filmischen Adaptionen befassen, u.a. mit Sebastian Brants satirischem Narrenschiff von 1494, mit der Legende vom fliegenden Holländer, mit Melvilles Erzählung Billy Budd, Sailor und Claire Denis' Verfilmung Beau travail, mit Rimbauds visionärem Gedicht Le bateau ivre sowie mit Romanen von Jean Genet und Marguerite Duras. Das Schiff wird sich dabei nicht nur als 'anderer' Ort mit eigenen Gesetzen und einer eigenen Zeitlichkeit erweisen, sondern auch als Projektionsfläche ästhetischer Phantasien und als Bühne alternativer Bewusstseinszustände.
Zur Einführung:
Michel Foucault: Des espaces autres. In: ders.: Dits et écrits 1954-1988, hg. v. Daniel Defert u. François Ewald, Paris: Gallimard, 1994, S. 752-762, dt. Übers.: Andere Räume, aus dem Frz. v. Walter Seitter, in: Karlheinz Barck u.a. (Hg.): Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, Leipzig 1992, S. 34-46.
Hans Christoph Buch: Boat People. Literatur als Geisterschiff. Berner Poetikvorlesung, Frankfurt a.M.: Frankfurter Verlagsanstalt, 2014.
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Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung