16716
Hauptseminar
WiSe 15/16: Barock
Simon Zeisberg
Kommentar
Was haben Gryphius' "Catharina von Georgien", Schloss Versailles, Bachs Kantaten und Rembrandts "Susanne im Bade" gemeinsam? Die Antwort ist rasch bei der Hand: Sie sind barock. Aber - was heißt das eigentlich?
Diese Frage zu stellen ist dringend notwendig. Denn so rasch die Betrachterin bzw. der Leser angesichts der genannten Objekte epochengeschichtlich urteilen mag, so verdächtig scheint das Urteil auf den zweiten Blick. Bezeichnet der Barockbegriff tatsächlich etwas - literar- und kunsthistorisch - Bestimmtes oder ist er doch nur ein Lückenfüller, der immer dann zum Einsatz kommt, wenn wir etwas einigermaßen Flächendeckendes über Kunst und Literatur des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts aussagen wollen? Wie angezeigt das Zögern ist, wird deutlich, blickt man auf die Geschichte des Begriffes: Weder Gryphius, noch die Erbauer von Versailles, weder Bach, noch Rembrandt sind in die Verlegenheit gekommen, sich selbst als Barockkünstler zu imaginieren. Dies liegt daran, dass der Barockbegriff seine kunst- und literarhistorische Karriere erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beginnt. In Deutschland sind es zunächst die Aufklärer, die Barock als ästhetisches Phänomen begreifen. Ihre Verwendung des Begriffs ist dabei freilich distanzierend: Dort, wo es an Vernunft und formaler Klarheit fehlt, wo Schwulst und substanzloser Pomp fröhliche Urstände feiern, regiert der "Barockgeschmack" (Lessing).
Auch wenn sich Lessings Barockbegriff mit dem oben veranschlagten offenkundig nicht mehr deckt - denn wie sollte man z.B. Bach der Präferenz unvernünftiger Kompositionsverfahren überführen? -, hat das Verdikt einer aufgeklärten oder gar klassischen Kunst gegen ihr Anderes tiefe Spuren in der Geschichte des neuzeitlichen Barockdiskurses hinterlassen. Im Seminar wird es darum gehen, einige dieser Spuren nachzuzeichnen - mit dem Ziel, die Funktionen, die der Begriff in verschiedenen Kontexten der Literatur- und Kunstbeobachtung zwischen 18. und 21. Jahrhundert übernimmt, genauer kennenzulernen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die deutschsprachige Debatte des 20. Jahrhunderts gelegt, die angeregt von Walter Benjamins Schrift über den "Ursprung des deutschen Trauerspiels" (1928) entscheidende Impulse für die theoretische Reflexion des Barockbegriffes vor dem Hintergrund eines sich verändernden Moderne-Diskurses gegeben hat.
Zum Schluss noch eine Warnung: Weil unser Nachvollzug der theoretischen Texte eine Kenntnis ihrer Gegenstände - im Fall Benjamins etwa der barocken Trauerspiele - voraussetzt, wird das Seminar phasenweise lektüreintensiv. Es wird versucht, diese Phasen im Seminarverlauf so zu verteilen, dass ausreichend Zeit zur Vorbereitung gegeben ist.
Zur vorbereitenden Lektüre sei empfohlen: Dirk Niefanger: Barockforschung - Barockbegriff. In: ders.: Barock. 3., akt. und erw. Aufl. Stuttgart 2012, S. 5-22.
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16 Termine
Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung
Di, 13.10.2015 10:00 - 12:00
Di, 20.10.2015 10:00 - 12:00
Di, 27.10.2015 10:00 - 12:00
Di, 03.11.2015 10:00 - 12:00
Di, 10.11.2015 10:00 - 12:00
Di, 17.11.2015 10:00 - 12:00
Di, 24.11.2015 10:00 - 12:00
Di, 01.12.2015 10:00 - 12:00
Di, 08.12.2015 10:00 - 12:00
Di, 15.12.2015 10:00 - 12:00
Di, 05.01.2016 10:00 - 12:00
Di, 12.01.2016 10:00 - 12:00
Di, 19.01.2016 10:00 - 12:00
Di, 26.01.2016 10:00 - 12:00
Di, 02.02.2016 10:00 - 12:00
Di, 09.02.2016 10:00 - 12:00