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WiSe 15/16: Skandal und Sittenverfall. Naturalismus und Antinaturalismus als literarische Strömungen in Auseinandersetzung mit der öffentlichen Moral

Martha Christine Menzel

Zusätzl. Angaben / Voraussetzungen

Regelmäßige Anwesenheit und aktive Mitarbeit, Lektüre der vorzubereitenden Primär- und Sekundärtexte, Referat (20 Min.), Hausarbeit (http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/oas/japanologie/files/hausarbeiten_kultlit.pdf) Schließen

Kommentar

Kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert entwickelte sich der Naturalismus zur dominierenden Strömung der modernen japanischen Literatur. Er ergänzte die Forderung nach psychologischem Realismus um das Ideal unbedingter Authentizität und brachte so die Gattung der Ich-Erzählung hervor, in der ein Autor unter einer möglichst dünnen Hülle aus Fiktion die eigenen inneren Abgründe so detailgetreu wie möglich bekennt. Der Antinaturalismus begegnete diesem Postulat der schnörkellosen Faktizität mit der Forderung nach Fiktionalität und Ästhetizismus. Beide Strömungen eint die Ablehnung gesellschaftlicher Konventionen, eine starke Fokussierung auf das Selbst bzw. die individuellen persönlichen Interessen sowie der Hang zum Skandalösen. Was aber ist diese sogenannte "öffentliche Moral", mit der sich so viele Texte des Naturalismus und Antinaturalismus auseinandersetzten? Wie konstituiert sie sich? Wer legt sie fest? Was wird von wem als Verstoß oder Übertretung empfunden? Und welche Reaktionen (z.B. literarische Zensur) rufen Texte hervor, die in Konflikt mit ihr treten? Im Rahmen des Proseminars sollen "skandalöse" literarische Texte aus der japanischen Vorkriegszeit untersucht und im Hinblick auf ihr provokatives Potential diskutiert werden (u.a. Werke von Shimazaki Tōson, Tayama Katai, Mori Ōgai, Izumi Kyōka, Yosano Akiko, Tanizaki Jun´ichirō, Nagai Kafū). Neben einer Einführung in die literarischen Strömungen des Naturalismus und Antinaturalismus soll auch ein kulturhistorisches Verständnis der öffentlichen, d.h. staatlichen Moralvorstellungen jener Zeit vermittelt werden, auch unter Berücksichtigung von Gender- und Diversity-Aspekten. Neben der Wiederholung, Übung und Anwendung philologischer Analysemethoden bietet das Proseminar die Möglichkeit, einige der wichtigsten Akteure der japanischen Vorkriegsliteratur kennenzulernen. Die Texte werden in englischer oder deutscher Übersetzung gelesen. Schließen

Literaturhinweise

Amano Ikoho (2013): Decadent Literatur in twentieth-century Japan. Spectacles of idle labor. New York: Palgrave Macmillan; Fowler, Edward (1988): The rhetoric of confession. Shishōsetsu in early twentieth-century Japanese fiction. Berkeley, Los Angeles, London: California University Press; Hijiya-Kirschnereit, Irmela (2005): Selbstentblößungsrituale. Zur Theorie und Geschichte der autobiographischen Gattung "Shishōsetsu" in der modernen japanischen Literatur. Mit einem Vorwort zur Neuausgabe. München: Iudicium; Mitchell, Richard H. (1983): Censorship in Imperial Japan. Princeton, New Jersey: Princeton University Press; Rubin, Jay (1984): Injurious to public morals. Writers and the Meiji-state. Seattle, London: University of Washington Press; Mizuta Lippit, Noriko (1980): Reality and fiction in modern Japanese Literature. London, Basingstoke: The Macmillan Press Ltd. Weiterführende Literatur zu den einzelnen Sitzungen entnehmen Sie bitte dem Seminarplan. Schließen