WiSe 15/16: Von einem, der seine Seele verkaufte. Faustfiguren in der Literatur
Mirko Gemmel (LV ist abgesagt)
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Kaum eine andere Gestalt der Weltliteratur ist so bekannt wie Faust, was nicht zuletzt der Popularität von Goethes Faustdichtung zu danken ist. Doch seine Tragödie ist keineswegs die früheste und schon gar nicht die einzige Bearbeitung dieses alten literarischen Stoffes, in dem sich antike, mittelalterliche und neuzeitliche, mythische und reale Figuren in der einen des Faust' vereinigen.
Der seit dem 16. Jahrhundert weit verbreitete Fauststoff wurde im 18. Jahrhundert literarisch aufgewertet. Faust galt nun nicht länger als Scharlatan und Narr, vielmehr wurde der menschliche Zwiespalt zwischen der Kraft des Glaubens und die Rationalität wissenschaftlicher Erkenntnis zum Hauptthema.
In der Faustfigur ist der über seine Grenzen hinaus strebende Mensch gespiegelt, der im Konflikt zwischen Selbstverwirklichung und Anerkennung hin und her gerissen ist. An den Fragen der Zeit vor allem der Differenz von Wissenschaft und Technik einerseits und Ethik und Religion andererseits entzündete sich die Geburt der literarischen Faust-Figur und die ungebrochene Aktualität des Stoffes ist Beleg, dass die entscheidenden Fragen sich zwar veränderten, aber niemals abschließend beantwortet wurden.
In den unterschiedlichen Faustbearbeitungen werden uns im Seminar vor allem die Fragen nach der Konzeption von Faust als literarische Figur aber auch seines jeweiligen Gegenspielers beschäftigen, dabei vor allem die Psychologie, die für das Figurenverhalten konstituierend ist sowie die daraus resultierenden Handlungsmotivationen. Inwieweit ist dabei die Figur des Teufels als Inkarnation des Bösen oder der Versuchung aber auch die Faustfigur selbst von sozial- und zeitgeschichtlichen Einflussfaktoren abhängig? Dies führt dann in der Analyse von der erzählerischen Bewertung und Behandlung hin zur poetologischen Konzeption der literarischen Texte.
Vorgesehen sind im Seminar u.a. Texte von: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Maximilian Klinger, Michail Bulgakow, Klaus Mann, Thomas Mann, Heinrich Mann, Eric-Emanuel Schmitt
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