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Hauptseminar
WiSe 16/17: Psychiatrie zwischen Reformen und Patientenmord
Gerhard Baader
Kommentar
Sozialpsychiatrie ist so alt wie die wissenschaftliche Psychiatrie selbst. Ihr hat Wilhelm Griesinger(1817-1868) nicht nur ihr Paradigma gegeben (Geisteskrankheiten sind Hirnkrankheiten), sondern damit auch einen sozialpsychiatrischen Ansatz zusammen mit Vorschlägen zu einer Neuorganisation des Krankenhauswesens verbunden. Doch nicht sein differenziertes Versorgungsmodell psychisch Kranker , sondern die Ausdehnung des traditionell ausgrenzenden Anstaltskonzepts auf die neuen Heil-und Pflegeanstalten wurde zunächst vorherrschend, trotz aller Fortschritte in der Wissenschaft. In ihr wurde zwar das zunächst vorherrschende reduktionistische neurologische Paradigma von Griesingers Nachfolger in Berlin Carl Westphal durch ein neues ganzheitliches Krankheitsverständnis bei Emil Kraepelin abgelöst, doch hat gerade er durch die Einfügung des Entartungsbegriffs und der Vorstellung von der Vererbung vermeintlich erblicher Minderwertigkeit dem Eindringen von Eugenik und Rassenhygiene in das psychiatrische Paradigma Vorschub geleistet. Mit dem Ersten Weltkrieg und seinem Hungersterben in den Anstalten findet insgesamt eine Radikalisierung der Debatte statt, die in Schrift von Karl Binding und Alfred Hoche „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, Sein Maß und sine Form“ (1920 gipfelt. Doch es gab auch andere Formen zur Lösung der Probleme der Überfüllung der Anstalten. Sie reichen von der bereits von Griesinger in die Debatte eingeführten familialen Pflege hin bis zur offenen psychiatrischen Fürsorge durch Gustav Kolb in Erlagen. Auf der anderen Seite ist die Weimarer Republik bereits von dem immer stärkeren Vordringen von Eugenik und Rassenhygiene gekennzeichnet. So werden aus überzeugten Vorkämpfern der offenen Fürsorge- wie Valentin Faltlhauser in Kaufbeuren –im Kontext der NS-„Euthanasie“ Mörder. Schließen
Literaturhinweise
Michel Foucault, Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitallter der Vernunft (1961), Frankfurt am Main 1969; Erwin Henri Ackerknecht, Kurze Geschichte der Psychiatrie, 2. Aufl., Stuttgart 1067; KLaus Dörner, Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte und Wissenssoziologie der Psychiatrie, Frankfurt am Main 1969; Hans-Georg Güse und Norbert Schmacke, Psychiatrie zwischen bürgerlicher Revolution und Faschismus, Kronberg 1976; Dirk Blasius, Der verwaltete Wahnsinn, Eine Sozialgeschichte des Irrenhauses, Frankfurt am Main 1980; Gerhard Baader, Zwischen sozialpsychiatrischen Reformansätzen und Vernichtungsstrategien,in:Christfried Tügel und Volkmar Lischka (Hg.), "Euthanasie" und Psychiatrie (=Uchtspringer Schriften zue Psychiatrie, Neurologie, Schlafmedizin, Psychologie und Psychoanalyse 3), Uchtspringe 2005,S. 17-36. Schließen
16 Termine
Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung
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Di, 14.02.2017 12:00 - 14:00