16709

WiSe 16/17: Dokumentarische Literatur

Simon Zeisberg

Comments

In verschiedenen historischen Konstellationen ist dokumentarische Literatur ins Zentrum der literaturöffentlichen Aufmerksamkeit vorgedrungen. In den 1920er Jahren erfreuten sich dokumentarische Schreibweisen etwa in der DADA-Bewegung, aber auch im Bereich einer politisch engagierten Literatur bzw. eines solchen Theaters (u.a. Piscator) großer Beliebtheit. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in den 1960er Jahren, erlebte der literarische Dokumentarismus eine neue Blüte, wobei neben dem Dokumentartheater (u.a. Hochhuth, Weiss, Kipphardt) auch dokumentarische 'Romane' (u.a. Kluge, Heißenbüttel), dokumentarische Lyrik (u.a. Rühm) und allerlei Arten sogenannter Protokollliteratur (u.a. Runge, Wallraff) entstanden. Glaubte man schließlich in den 1980er und 1990er Jahren, die Postmoderne biete dokumentarischen Schreibweisen nach Art der genannten Vorbilder keinen ausreichenden Nährboden - und schien dies nicht zu bedauern -, so stellte man in den 2000er Jahren erstaunt fest, dass der Dokumentarismus auch in der Gegenwart seinen Platz im literarischen System beansprucht. Die sich seither ausbildenden Formen eines 'Neodokumentarismus' sind dabei nicht nur Wiederholungen dessen, was Literatur und Theater der Moderne bereits ausprobiert hatten; vielmehr werden - u.a. von Milo Rau, Kathrin Röggla, in rezenten Theaterproduktionen (z.B. 'Common Ground' von Yael Ronen & Ensemble, MGT Berlin) oder in Texten der Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch - neue Konzepte des Dokumentarischen entwickelt, deren kulturelle und politische Bedeutung in gegenwärtigen Debatten erst ausgehandelt wird.
Das Seminar verfolgt zwei Ziele: Zum einen wird es gemeinsame Aufgabe sein, mithilfe theoretischer Impulse einen Begriff der 'Dokumentarischen Literatur' zu erarbeiten, mit dem das formal wie inhaltlich außerordentlich heterogene Textkorpus sinnvoll in den Blick genommen werden kann. Zum anderen wird es darum gehen, an Textbeispielen von der Moderne bis in die Gegenwart verschiedene Ausprägungen dokumentarischer Literatur zu untersuchen, wobei die jeweiligen historischen Entstehungs- und Wirkungszusammenhänge der Texte ebenso betrachtet werden sollen wie deren spezifische formale Strukturen (generische Eigenschaften, Aspekte der Collage, Montage, des Zitierens etc.).Wie herausforderungsreich diese Aufgabe ist, lässt sich an der Tatsache ablesen, dass nur wenig geeignete Einführungsliteratur zum Thema existiert. Als hilfreiche Überblicksdarstellung können vorderhand daher nur die bereits in die Jahre gekommenen Studien Nikolaus Millers (Prolegomena zu einer Poetik der Dokumentarliteratur. München 1982, S. 7-98) und, mit Abstrichen, Brian Bartons (Das Dokumentartheater. Stuttgart 1987) empfohlen werden.

Eine Bemerkung zum Ablauf des Seminars: Das Seminar wird bis einschließlich der Sitzung am 22. November 2016 regulär stattfinden. Es folgt eine dreiwöchige Pause, gefolgt von den Weihnachtsferien. Ab dem 3. Januar 2017 geht das Seminar regulär weiter. Die drei ausgefallenen Sitzungen sollen am 11. Februar 2017, 10-16 Uhr, als Blocksitzung nachgeholt werden. Bitte merken Sie sich diesen zusätzlichen Termin in Ihrer Semesterplanung vor! close

16 Class schedule

Regular appointments

Tue, 12:00 - 14:00 16 Class schedule

Tue, 2016-10-18 12:00 - 14:00

Lecturers:
Simon Zeisberg