13193 Vertiefungsseminar

WiSe 17/18: Avantgarde um 1900 [Modulthema: Gesellschaft]

Norma Ladewig

Hinweise für Studierende

Das Seminar verfolgt einen interdisziplinären Ansatz. Für die Durchführung sind eine Mitarbeiterin des Peter-Szondi-Instituts für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und eine Mitarbeiterin des Friedrich-Meinecke-Instituts für Geschichtswissenschaft gemeinsam verantwortlich. Die Teilnehmer*innen setzen sich aus beiden Fächern zusammen. Für Studierende der Geschichtswissenschaft gilt: Das Modul befasst sich mit epochenspezifischen Fragestellungen und Perspektiven und besteht aus zwei Seminaren zu zwei unterschiedlichen Epochen (Antike, Mittelalter, Frühe Neuzeit und Neueste Geschichte). Beide Seminare müssen ein gemeinsames Modulthema behandeln („Politik“, „Gesellschaft“ oder „Vorstellungswelt“). Das Modul wird mit einer Hausarbeit zu einem der beiden Seminare abgeschlossen. Für Studierende der AVL gilt: Die Veranstaltung ist dem Modul 210 „Poetik, Rhetorik, Literaturtheorie“ zugeordnet, Zugangsvoraussetzung ist die erfolgreiche Absolvierung des Basismoduls 110. Beachten Sie bei der Planung Ihres Semesters, dass das Seminar in der Koserstr. 20 stattfindet! Schließen

Kommentar

Ausgehend vom ersten Futuristischen Manifest von 1909 widmen wir uns im Seminar den zahlreichen künstlerischen Avantgardebewegungen, die sich im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts formierten. Diese werden wir aus interdisziplinärer Perspektive sowohl als ästhetische, aber auch als gesellschaftliche Phänomene in den Blick nehmen. „Historische Avantgarde“ dient uns als Oberbegriff für die ,Ismen‘ (Futurismus, Expressionismus, Dadaismus etc.) in den Künsten und Künstlerbewegungen, deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede wir im Seminar betrachten. Ein einführender Block (1) setzt sich mit der Begriffsgeschichte des Terminus „Avantgarde“ auseinander, sowie seiner Abgrenzung zur ästhetischen und historischen „Moderne“ (bzw. Modernismus). In einem zweiten Schritt nähern wir uns den Avantgardebewegungen sozialgeschichtlich (2), indem wir ihre Träger und Netzwerke untersuchen, Faktoren wie Klasse und Geschlecht befragen und sie zu Bürgertum und Bohème ins Verhältnis setzen und damit gesellschaftlich verorten. Einen weiteren Schwerpunkt des Seminars bilden die zahlreichen Manifeste (3) avantgardistischer Gruppierungen. Dabei werden die Besonderheiten dieser Textgattung ebenso wie die darin vorgebrachten programmatisch-theoretischen Forderungen analysiert: In selbstreflexiven Auseinandersetzung mit der „Institution Kunst“ (Bürger) fordern avantgardistische Künstler eine Aufhebung des Gegensatzes zwischen Kunst und Leben/Alltag. Dieser Angriff auf die Autonomieforderung der bürgerlichen Kunst brachte kunst- und sozialrevolutionäre Entwürfe hervor, die im Seminar in einen ideengeschichtlichen Kontext eingeordnet werden sollen: Welches Selbstverständnis und -bewusstsein als Künstler finden wir in den Manifesten und Programmen? Lassen sich trotz aller Absichten zum Bruch mit ,Tradition‘ und dem ,Alten‘ Kontinuitäten feststellen? Welche sozialutopischen Vorstellungen zur gesellschaftlichen Funktion der Kunst lassen sich erkennen? Darauf aufbauend wollen wir die sprachlichen und formalen Experimente avantgardistischer Literatur wie auch ihrer bevorzugten Topoi (etwa „Stadt“, „Technik“, „Krieg“ oder „Ich-Dissoziation“) vor dem Hintergrund historischer Entwicklungen (Urbanisierung, Technisierung, Psychologisierung) analysieren (4). Abschließend (5) skizzieren wir, wie die historischen Avantgarden die Theoriebildung zu Kunst im 20. Jahrhundert und epigonale künstlerische Bewegungen der Nachkriegszeit beeinflussten. Aus dem interdisziplinären Ansatz versprechen wir uns einen inhaltlichen wie methodischen Mehrwert: Die Texte und programmatischen Manifeste der historischen Avantgarden legen eine literaturwissenschaftliche wie eine quellenkritischen Analyse nahe. Der geschichtswissenschaftliche Zugriff soll unter den Studierenden die Sensibilität für die politischen oder sozialen Entstehungs- und Rezeptionskontexte literarischer Texte steigern. Durch die literaturwissenschaftliche Perspektive sollen methodische Kompetenzen im Umgang mit literarischen Texten wie auch ihr Potential für die Geschichtswissenschaft vermittelt werden. Das Seminar bietet daher Gelegenheit, die methodischen Besonderheiten und Erkenntnisinteressen des jeweiligen Faches zu reflektieren und gleichzeitig den Erkenntnisgewinn eines fächerübergreifenden Austauschs zu erproben. Schließen

Literaturhinweise

Hubert van den Berg u. Walter Fähnders, Metzler-Lexikon Avantgarde, Stuttgart 2009; Klaus von Beyme, Das Zeitalter der Avantgarden. Kunst und Gesellschaft 1905-1955, München 2005; Hannes Böhringer, Avantgarde. Geschichten einer Metapher, in: Archiv für Begriffsgeschichte 22. 1978, S. 90-114; Peter Bürger, Theorie der Avantgarde, Frankfurt 1974; Walter Fähnders, Avantgarde und Moderne 1890-1933, Stuttgart 1998; Wolfgang J. Mommsen, Die Herausforderung der bürgerlichen Kultur durch die künstlerische Avantgarde. Zum Verhältnis von Kultur und Politik im Wilhelminischen Deutschland, in: GG 20. 1994, S. 424-444; Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918, Bd. 1: Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1990, S. 692-697 u. S. 752-792. Schließen

16 Termine

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