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Vorlesung
WiSe 17/18: Die Anekdote in der römischen Literatur
Melanie Möller
Kommentar
Aufgrund ihrer nach quellenkritischen Maßstäben bemessenen „Unwissenschaftlichkeit“ ist die Anekdote als Forschungsgegenstand lange Zeit nicht ernst genommen worden. Auf diese Weise hat man ein zentrales Transfermedium antiken Wissens weitgehend ausgeblendet. Auf der Grundlage ihrer besonderen narrativen Struktur und Intention scheinen Anekdoten das in ihnen gebündelte Wissen auch dort in neue Kontexte zu transferieren, wo sie an Überlieferungstraditionen anknüpfen. Solche Neukontextualisierungen sind nicht immer explizit gemacht, sondern finden auch auf immanenter Ebene statt. Deshalb wollen wir uns in der Vorlesung nicht mehr mit als einschlägig geltenden Anekdotensammlungen (z.B. Valerius Maximus) beschäftigen, sondern auch mit diversen anderen Genres, in welche Anekdoten eingeflossen sind (schwerpunktmäßig in biographische Texte, aber auch in philosophische und rhetorische, u.a. Cicero oder Seneca). Griechische Anekdotensammlungen wie etwa die berühmten Philosophenbiographien des Diogenes Laërtios sollen unseren Überblick abrunden. Auf der Grundlage dieser Texte wollen wir folgenden Fragen stellen und nach Möglichkeit beantworten: Welches Wissen wird präsentiert, welches ausgeblendet oder gar verweigert, und welche Selektionskriterien werden dabei geltend gemacht? Welches Vorwissen wird vorausgesetzt? Die Grenzen zwischen Fakten und Fiktionen sind hier so fließend wie in kaum einer anderen Erzählform, und die Differenz von Subjektivität und Objektivität wird minimiert. Was heißt das für die in Anekdoten vermittelten Wahrheits- und Geltungsansprüche? Welche Rollen spielen die Akteure, die uns in den Anekdoten vorgeführt werden? Sie werden in der Regel namentlich genannt und als spezifische Persönlichkeiten dargestellt, scheinen bisweilen aber mit verallgemeinerbaren Eigenschaften oder Fertigkeiten ausgestattet zu sein. Zu klären ist auch die Bedeutung derjenigen Akteure, die solche Anekdoten transportieren oder umgestalten. Aufgrund welcher Erfahrungen stellen sie Anekdoten zusammen? Sind sie unabhängig oder institutionell gebunden (z.B. an eine bestimmte Philosophenschule oder, ganz allgemein, an die Institution des Textes, bestehend aus Gattung, Kontext und Konvention)? Im Verlaufe der Vorlesung wird auf der Basis der verglichenen Texte vor allem auch zu prüfen sein, ob sich eine oder mehrere taugliche Definitionen für antike Anekdoten finden lassen, deren theoretisches Fundament wir uns gemeinsam erarbeiten wollen. Schließen
Literaturhinweise
Greenblatt, Stephen, Learning to Curse: Essays in Early Modern Culture, New York: Routledge, 1990.
Grothe, Heinz, Anekdote, Stuttgart: Metzler, 1971.
Schäfer, Rudolf, Die Anekdote. Theorie, Analyse, Didaktik, München: Oldenbourg, 1982.
Zill, Rüdiger, „Minima historia. Die Anekdote als philosophische Form“, in: Zeitschrift für Ideengeschichte VIII/3, 2014, S. 33-46.
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