Die Volksbühne in ihrem Gründungsmoment ist ein Sonderfall: aus der Arbeiterbewegung heraus und auch finanziert mit dem Arbeitergroschen entsteht das Haus am Bülow Platz, dann Horst-Wessel Platz, jetzt Rosa-Luxemburg-Platz. Das Politische ist dem Theater von Anfang an eingeschrieben; der künstlerische Direktor in den 20 Jahren, Erwin Piscator, praktiziert und konzipiert hier sein Agitations- und Frontaltheater. Ob Parteigründung im Theater, die historische Verkomplizierung von Inszenierungen, die Dehnung von Zeit auch hin zu politischen Denkräumen: Piscator war als Impulsgeber und künstlerischer Ahne eines ästhetisch avantgardistischen und gesellschaftlich sensitiven Theaters in der Ära Frank Castorf stets präsent. Künstlerisch schien alles erlaubt, politisch alles sagbar. Institutionell hierarchisch organisiert, herrschte in der Volksbühne maximale Freiheit der Kunst und der individuellen Akteure. Das Seminar - das in mehreren Wochenendblöcken abgehalten wird - behandelt nicht nur das, was war: die Schlüsselinszenierungen und dramaturgischen Konzeptionen der prägenden Regisseure der vergangenen 25 Jahre. Es geht auch um das, was ist. Darum, wie sich die Stadt Berlin verändert. Wie mit dem Kulminationspunkt Alexanderplatz und Volksbühne Stadt als Beute auf die Tendenz Staat als Beute trifft. Von der Lage zur Praxis: Ein dritter Teil des Seminars ist Übungen vorbehalten, vielleicht dramaturgischen Einübungen in den Umweg, Vermessungen des aktuellen Kräfteverhältnis von Kunst und Revolte und Nachdenken über Orte für den Sonderfall, solange die Volksbühne - temporär - einen Normalfall der Programmierung von „Sinnschleifen“ (Heiner Müller) markiert. Sebastian Kaiser war von 2008 bis 2017 Dramaturg an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Schließen