WiSe 17/18: Roman und Romantheorie der Aufklärung
Olga Katharina Schwarz
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Das Seminar umfasst eine Blocksitzung am 9. Dezember (10 bis 16 Uhr) und endet in der 4. Kalenderwoche des neuen Jahres.
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„[...] wer Romans list / der list Lügen.“ (Heidegger, 1698) – die Gattung des Romans hat es nicht leicht um 1700. Zu verbreitet ist die Befürchtung, seine Lektüre verleite zum Müßiggang, verderbe den Geschmack und verführe zur Wollust. Das Potential des Romans, die sittliche Erziehung des Menschen und die Vermittlung von bürgerlichen Wertvorstellungen zu unterstützen, wird im deutschsprachigen Raum erst langsam mit der Rezeption der Romane Samuel Richardson ab den 1740er Jahren anerkannt.
Ob als empfindsamer, satirischer oder anthropologischer, ob als Entwicklungs-, Staats- oder Abenteuerroman, im Geiste der Aufklärung verhandelt der Roman die aktuellen Fragen und geistigen Strömungen der Zeit. Die Ideale von Bildung und Erziehung, das Verhältnis von Empfindsamkeit und Tugend, die Funktion der Religion, die Implikationen der sozialen Ordnung wie die Rolle der Frau und die Vorstellungen von Ehe und Liebe werden vor dem Hintergrund des zeitgenössischen moralphilosophischen, theologischen und anthropologischen Diskurses entwickelt. Das Diktum des prodesse und delectare wird hierbei auch von den Romanautoren berücksichtigt, wenn im Hinblick auf eine unterhaltsame Lektüre verschiedene Erzähltechniken erprobt und kombiniert werden.
Begleitet wird der Aufstieg des Romans von einer regen poetologischen Auseinandersetzung mit der Gattung. Welchen Platz der Roman innerhalb des Gattungssystems einnehmen kann, in welcher Beziehung er zu anderen Gattungen steht oder der ihm zugrundeliegende Fiktionalitätsgedanke werden genauso diskutiert wie die erzähltechnischen Möglichkeiten der Gattung, ihr potentieller Beitrag zur ‚Bildung von Herz und Verstand‘ und die durch den Roman gewährten Einblicke in die Psychologie des menschlichen Empfindens und Handelns.
Das Seminar erörtert die das 18. Jahrhundert bestimmenden Themen und Konzepte wie auch Theorie und narrative Technik des Romans am Beispiel von Gellerts „Leben der schwedischen Gräfin von G***“ (1747/48), Wielands „Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva“ (1764), La Roches „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“ (1771) und Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ (1774) und wirft mit Pezzls „Faustin oder das philosophische Jahrhundert“ (1783) einen Blick auf die Stellung des Romans im Josephinismus.
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