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Proseminar
WiSe 18/19: Kassandra - Von Aischylos bis Christa Wolf
Henrike Krause
Kommentar
Der Seherin Kassandra kommt in der Erzählung vom Niedergang Trojas eine zentrale Stellung zu. Durch die Gunst Apollons erhält sie die Sehergabe, weigert sich jedoch dem Gott ihre Liebe zu schenken und wird damit gestraft, dass ihren Vorhersagen kein Glauben geschenkt wird. So warnt sie die Troer vor dem Untergang ihrer Stadt – bekanntlich vergebens. Der ‚Kassandra-Ruf‘ ist damit sprichwörtlich geworden. In der antiken Tradition wird Kassandra häufig als Gegenbild zur schönen Helena gedeutet, die von Paris entführt und so zum Auslöser des Krieges wird. Entsprechend endet die Handlung des Troja-Stoffes mit Kassandras Verschleppung durch Agamemnon nach Mykenä und ihr Tod durch die Hand Klytämnestras.
Ebenso wie der Stoff des Trojanischen Kriegs hat die Figur der Kassandra im Laufe der Jahrhunderte vielfältige Erweiterungen und Umdeutungen erfahren, bleibt allerdings mit der Frage nach Krieg und Frieden eng verknüpft. Die Figurengestaltung changiert in jedem Drama, Gedicht oder Erzähltext zwischen bekannten Motiven und veränderlichen Einbindungen in den Gesamtzusammenhang des Troja-Stoffes, so dass jede Kassandra-Darstellung auch immer wieder eine Neuinterpretation ihrer Figur bedeutet. So ist Kassandra in Aischylos‘ Orestie (ca. 458 v. Chr.) eine andere als in Euripides‘ Troerinnen (415 v. Chr.) und wieder eine gänzlich andere in Giovanni Bocaccios Il Filostrato (1337/39) oder Friedrich Schillers „Kassandra“-Ballade (1802). Im 20. Jahrhundert hat vor allem Christa Wolf mit ihrer Erzählung Kassandra (1982) und den dazugehörigen Frankfurter Poetik-Vorlesungen eine feministische Perspektive in die Figuren- und Stoffgeschichte eingebracht, die sich in populären Darstellungen wiederfinden lässt.
Im Seminar werden wir verschiedene Versionen Kassandras unter Berücksichtigung ihrer historischen Produktions- und Rezeptionsbedingungen untersuchen und dabei nachvollziehen, wie diese Figur in unterschiedlichen Texten und verschiedenen Zeit- und Kulturräumen gestaltet worden ist. Dabei konzentrieren wir uns vorrangig auf die antike Tradition (Aischylos, Euripides u.a.) und ihre Wiederaufnahme im 19. und 20. Jahrhundert. Grundsätzlich stellen wir uns dabei die Frage, worin die Faszinationskraft der Geschichte Kassandras besteht, wie diese Geschichte neu geschrieben wird und weshalb moderne Autorinnen und Autoren auf antike Stoffe zurückgreifen. Wir werden nach dem Verhältnis der AutorInnen zu ihrer Figur fragen und die Parallelisierung Kassandras mit anderen kulturellen Konzepten nachvollziehen (die Seherin als Dichterin; die Seherin als Kriegsmahnerin u.a.).
Interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten dazu bereit sein, sich sowohl in sitzungsbegleitenden Gruppenarbeiten als auch durch kurze, schriftliche Ausarbeitungen aktiv am Seminar zu beteiligen.
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16 Termine
Regelmäßige Termine der Lehrveranstaltung
Do, 18.10.2018 14:00 - 16:00
Do, 25.10.2018 14:00 - 16:00
Do, 01.11.2018 14:00 - 16:00
Do, 08.11.2018 14:00 - 16:00
Do, 15.11.2018 14:00 - 16:00
Do, 22.11.2018 14:00 - 16:00
Do, 29.11.2018 14:00 - 16:00
Do, 06.12.2018 14:00 - 16:00
Do, 13.12.2018 14:00 - 16:00
Do, 20.12.2018 14:00 - 16:00
Do, 10.01.2019 14:00 - 16:00
Do, 17.01.2019 14:00 - 16:00
Do, 24.01.2019 14:00 - 16:00
Do, 31.01.2019 14:00 - 16:00
Do, 07.02.2019 14:00 - 16:00
Do, 14.02.2019 14:00 - 16:00