16446
Seminar
WiSe 18/19: Elegie – Formen der Trauer von Ovid bis Grünbein
David Wachter
Comments
„So zu harren, und was zu tun indes und zu sagen,?/ Weiß ich nicht, und wozu Dichter in dürftiger Zeit?“ – In Hölderlins Elegie „Brod und Wein“ erscheint die eigene Gegenwart als Epoche der Entfremdung, umgetrieben von der Erinnerung an eine verlorene (Sinn-)Einheit und zugleich offen für einen „kommenden Gott“. Mit dieser melancholisch-selbstreflexiven Spannung ist die Elegie als lyrisches Genre sehr modern. In der römischen Antike entstand sie als erotische Liebesdichtung und klagender Trauergesang; in der englischen Tradition seit der Renaissance verarbeiten „poems of mourning“ individuelle Verlusterfahrungen in stilisierten Artefakten; im deutschsprachigen Kontext wurde das Genre um 1800 zur Artikulationsweise gemischter Empfindungen sowie zum Reflexionsmedium einer Umbruchszeit; und auch in der lyrischen Moderne seit 1900 ebbt der „elegiac urge“ von Rilke bis Cotten nicht ab. – Im Seminar erkunden wir Geschichte und Theorie der Elegie von Ovid bis Grünbein. Welche Form erhält die lyrische Liebes- und Trauerarbeit in den Gedichten? Wie hängen Verlust und Gewinn, Klage und Freude miteinander zusammen? Wie verhält sich exzessiver Affektausdruck zu reflexiver Distanz? Welche gattungspoetischen Merkmale sind den skizzierten Traditionen sowie ihren modernen Um-Schreibungen im Sinne einer vergleichenden Literaturgeschichte gemeinsam? Worin besteht die Aktualität der Elegie durch ihre historischen Transformationen hindurch? – Das Seminar beginnt mit der römischen Liebeselegie in Gestalt von Ovids „Amores“. Im Anschluss an einen Exkurs zur Theorie der Trauer geht es um die „funeral elegy“ bei Spenser („Astrophel“), Milton („Lycidas“) und Shelley („Adonais“). Im dritten Teil des Seminars widmen wir uns – ausgehend von der Poetik der gemischten Empfindung bei Herder und Abbt – den geschichtsreflexiven Varianten des Elegischen in Schillers „Über naive und sentimentalische Dichtung“ sowie in Hölderlins „Brod und Wein“ und Rilkes „Duineser Elegien“, die zu den spannendsten und schönsten Gedichten der deutschsprachigen Literatur gehören. Der letzte Teil des Seminars verfolgt Spuren der Elegie in der modernen Lyrik von Dickinson („I felt a Funeral in my Brain“) über Plath („November Graveyard“) bis hin zu Grünbein („September Elegien“). close
Suggested reading
Neben der Lektüre genannter Werke eignet sich zur Vorbereitung:
Niklas Holzberg: Die römische Liebeselegie: Eine Einführung, Darmstadt 2015 (6. Aufl.);
Peter Sacks: The English Elegy. Studies in the Genre from Spenser to Yeats, Baltimore 1987;
Jörg Schuster: Poetologie der Distanz: Die „klassische“ deutsche Elegie, Freiburg i.Br. 2002;
Karen E. Weisman (Hrsg.): The Oxford Handbook of the Elegy, Oxford 2010.
close
16 Class schedule
Regular appointments
Wed, 2018-10-17 10:00 - 12:00
Wed, 2018-10-24 10:00 - 12:00
Wed, 2018-10-31 10:00 - 12:00
Wed, 2018-11-07 10:00 - 12:00
Wed, 2018-11-14 10:00 - 12:00
Wed, 2018-11-21 10:00 - 12:00
Wed, 2018-11-28 10:00 - 12:00
Wed, 2018-12-05 10:00 - 12:00
Wed, 2018-12-12 10:00 - 12:00
Wed, 2018-12-19 10:00 - 12:00
Wed, 2019-01-09 10:00 - 12:00
Wed, 2019-01-16 10:00 - 12:00
Wed, 2019-01-23 10:00 - 12:00
Wed, 2019-01-30 10:00 - 12:00
Wed, 2019-02-06 10:00 - 12:00
Wed, 2019-02-13 10:00 - 12:00