13450 Undergraduate Course

WiSe 18/19: „was macht die Pfeyl an Sant Sebastian“? Zur Genese, Funktion und Ästhetik von Heiligenattributen,

Anna Degler

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In der komplexen Beziehung zwischen christlichen Heiligen und ihren Attributen scheint nichts unmöglich: ein Mann, der quicklebendig seinen abgetrennten Kopf unterm Arm hält; eine Frau, die ihre abgeschnittenen Brüste auf einem Teller präsentiert; Heilige, die ihre Haut wie ein abgelegtes Gewand mit sich führen, einen Löwen streicheln oder von Pfeilen durchbohrt duldsam ihr Schicksal annehmen. „Was macht der Pfeil an Sebastians Körper“, fragte sich der Theologe Hieronymus Emser bereits im 16. Jahrhundert, oder „der Rost bei Sankt Laurentius“? Emser formulierte eine zentrale zeitgenössische Anforderung: die Attribute sollten den Gläubigen die Leiden und Martyrien der Heiligen „zu Gemüte führen“, das heißt in geistige Erinnerung rufen, „nicht weniger als ob wir sie aus den Büchern gelesen hätten.“ Hiermit ist bereits die schwierigste Aufgabe der Attribute im Kunstwerk angesprochen: anders als die Heiligenlegenden sollten sie eine Erzählung auf ein einziges Objekt, Tier oder gar Körperteil verdichten. Diese mnemonische Dimension ist, wie wir gemeinsam untersuchen wollen, untrennbar mit sozialhistorischen und künstlerischen Aspekten verwoben. Wir werden im Seminar das Heiligenattribut als komplexes Phänomen unter dieser Konstellation genauer betrachten. Wie die oben genannten Beispiele in ihrer Drastik anschaulich machen, ist beispielsweise die Gewalt (am Körper) als genderspezifischer Topos in Heiligenlegenden ein zentrales Thema. Im Seminar werden wir demnach nicht nur die mediale Umsetzung in Skulptur, Malerei oder Graphik genauer in den Blick nehmen, sondern auch die Hagiographie selbst. Doch nicht nur die Relation von gemarterten Körperteilen und Heiligen ist ein interessantes Phänomen, sondern auch Tiere als Attribute. Sowohl die heilige Agnes als auch Johannes der Täufer haben ein Lamm als Attribut, aber wie gestalteten Künstler die Beziehung zwischen Tier und Heiliger/m in der Vormoderne? Hier gilt es sowohl nach regionalen wie nach geschlechtlich kodierten Praktiken zu fragen. Das Heiligenattribut, so unsere Arbeitsthese, ist ein spannender Ort im Kunstwerk, an dem komplexe Semantisierungs- und Ästhetisierungsprozesse anschaulich werden. close

Suggested reading

Literaturauswahl: Joseph Braun, Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst, Stuttgart 1943; Wolfgang Braunfels (u.a.) (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie (LCI); 8 Bde. Freiburg i. Br. 1994; Frank Büttner, Andrea Gottdang, Einführung in die Ikonographie. Wege zur Deutung von Bildinhalten, München 2006; Anna Degler, Heil(ig)e Körper. Das Heiligenattribut als Parergon, in: dies., Parergon. Attribut, Material und Fragment in der Bildästhetik des Quattrocento, Paderborn 2015, S. 110-169; Charlotte Denoël, L’apparition des attributs individuels des saints dans l’art médiéval, in: Cahiers de civilisation médiévale 50/2007,198, S. 149-160 ; Daria Dittmeyer, Gewalt und Heil. Bildliche Inszenierungen von Passion und Martyrium im späten Mittelalter, Köln (u.a.) 2014; Guillaume de Jerphanion, Les caractéristiques des saints dans la peinture cappadocienne, in: Analecta Bollandiana 55/1937, S. 1-28; George Kaftal, Saints in Italian Art, Florenz 1952-1985, 4 Bde ; Ingrid Kasten, Gender und Legende. Zur Konstruktion des heiligen Körpers, in: Ingrid Bennewitz (Hg), Genderdiskurse und Körperbilder im Mittelalter. Eine Bilanzierung nach Butler und Laquer, Münster 2002, S. 199-219; Hildegard Kretschmer, Lexikon der Symbole und Attribute in der Kunst, Stuttgart 2008; Erwin Panofsky, Studies in Iconology. Humanistic themes in the art of the Renaissance [zuerst 1939], New York 1962; Michel Pastoureau, Olga Vassileieva-Codognet (Hg.), Des signes dans l’image. Usages et fonctions de l’attribut dans l’iconographie médiévale, Turnhout 2014; Eva Schurr, Die Ikonographie der Heiligen. Eine Entwicklung ihrer Attribute von den Anfängen bis zum achten Jahrhundert, Dettelbach 1997; Jacobus de Voragine: Die Legenda Aurea. 10. Aufl. Darmstadt 1984. close

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